In einer einstündigen Internet-Sprechstunde hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die bisweilen umstrittene Politik seiner Regierung verteidigt. Kritik etwa an der Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger wies er zurück. «Studieren ist teuer», sagte der Politiker am Dienstagabend. Es sei deshalb richtig, wenn Ausländer einen Beitrag leisteten, meinte er in der Live-Übertragung des traditionellen Online-Formats «Sagen Sie mal, Herr Kretschmann...». Dutzende Bürger hatten Fragen eingereicht, die Regierungssprecher Rudi Hoogvliet seinem Chef stellte.
Auf die Sorgen eines Fragenden, der sich ein Diesel-Fahrzeug gekauft habe und die 2018 drohenden Fahrverbote in Stuttgart fürchtet, reagierte der Regierungschef beschwichtigend. «Es geht um saubere Luft und nicht um Fahrverbote», sagte Kretschmann. Das Fahren mit Diesel-Autos werde ja nicht generell verboten. Stuttgart will ältere Diesel ab 2018 an Tagen mit Feinstaubalarm auf einzelnen Straßen der Landeshauptstadt verbieten.
Auf die Frage eines Bürgers verteidigte Kretschmann auch sein Treffen mit Erben früherer Adelshäuser in der vergangenen Woche. Es habe sich um eine «Geste der Anerkennung» gehandelt dafür, dass diese Familien viel leisteten bei der aufwendigen Erhaltung von Kulturdenkmälern. Warum er als Grüner für die CDU-Politikerin und Kanzlerin Angela Merkel bete, wollte einer wissen. Kretschmann stellte klar, dass er einmal gesagt habe, dass er für ihre Gesundheit bete, weil er die Kanzlerin für einen «Stabilitätsfaktor» halte.
Viele Fragen drehten sich um die Bildungspolitik. So wies der frühere Lehrer etwa die Idee eines gesamtdeutschen Bildungssystems zurück. Es sei schwer genug, 5000 Schulen und mehr als 100 000 Lehrer von Stuttgart aus zu steuern. Von Berlin aus für ganz Deutschland sei das noch schwerer. «Das ist eine Horrorvorstellung», meinte Kretschmann.
Thema war auch, wie Kretschmann zum Adoptionsrecht für homosexuelle Paare, zu einem bedingungslosen Grundeinkommen und zur Legalisierung der Droge Cannabis steht. Ersteres unterstützte er. Letzteres sei mit der CDU als Koalitionspartner nicht zu machen, sagte der 69-Jährige. Und ein Grundeinkommen sei zwar eine schöne Vision, aber schon allein wegen des Einwanderungsdrucks nicht machbar. «Im Moment sehe ich das überhaupt nicht», sagte Kretschmann.
Verständnis zeigte er für den Ärger eines Nutzers, der beklagte, er könne Kretschmanns Online-Sprechstunde nicht sehen, weil er keinen ordentlichen Internetanschluss habe. Das sei die wichtigste Infrastruktur für das Land, meinte der Ministerpräsident. Es sei viel erreicht, aber auch noch viel zu tun. «Wir machen richtig Tempo.» (DPA/LSW)