Rot-Grün in NRW abgewählt - Kraft tritt zurück

Armin Laschet galt lange als chancenlos gegen die SPD-Landesmutter Hannelore Kraft. Nun schlägt er die SPD in der «Herzkammer der Sozialdemokratie» klar und deutlich. Foto: Oliver Berg
Armin Laschet galt lange als chancenlos gegen die SPD-Landesmutter Hannelore Kraft. Nun schlägt er die SPD in der «Herzkammer der Sozialdemokratie» klar und deutlich. Foto: Oliver Berg

Triumph für CDU und FDP, Debakel für Rot-Grün: Vier Monate vor der Bundestagswahl hat die Union auch die wichtige Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen spektakulär gewonnen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gestand eine «krachende Niederlage» in seiner Heimat ein. Nach Hochrechnungen war am Abend neben einer großen Koalition unter Führung des CDU-Wahlsiegers Armin Laschet auch eine schwarz-gelbe Landesregierung denkbar - mit höchst knapper Mehrheit.

 

 

Als Reaktion auf das schlechteste SPD-Ergebnis in der NRW-Geschichte legte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft alle Ämter in der SPD-Führung nieder. Für Schulz ist es der bisher härteste Schlag seit seiner Nominierung Anfang des Jahres. Wie zuvor in Schleswig-Holstein hatte die SPD auch in NRW in Umfragen lange Zeit deutlich vorn gelegen und dann doch eine Wahlniederlage kassiert.

 

Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF lag die CDU 33,0 bis 33,6 Prozent deutlich vor der SPD mit 31,0 bis 31,5 Prozent. Dahinter folgte die FDP mit 12,0 bis 12,7 Prozent. Mit 7,3 bis 7,8 Prozent zieht erstmals die AfD in den Düsseldorfer Landtag ein. Die bislang an der Regierung beteiligten Grünen stürzten demnach auf 6,1 bis 6,3 Prozent ab. Die Linkspartei schaffte laut musste hingegen zittern, ob ihr der Sprung in den Landtag gelingt. Hochrechnungen sahen sie am Abend bei 4,8 bis 4,9 Prozent.

 

«Wir müssen überlegen, was war mein Anteil daran», sagte Schulz zur SPD-Niederlage in NRW. Dort sei vor allem über Landespolitik abgestimmt worden. Die Bürger wollten, dass er nicht nur über soziale Gerechtigkeit rede, sondern die Zukunftsperspektiven der Bundespolitik präziser beschreibe. «Diese Kritik an mir nehme ich ernst, die habe ich aufgenommen und die werden wir auch umsetzen.»

 

Für Kanzlerin Angela Merkel bedeutet der Erfolg der CDU auch in NRW starken Rückenwind. Wahlsieger Laschet sagte, seine beiden Ziele seien erreicht worden: «Rot-Grün zu beenden und stärkste politische Partei zu werden.» Somit hat die SPD in allen drei Landtagswahlen in diesem Jahr verloren und zudem zwei Ministerpräsidentenposten verloren.

 

Bleibt die Linke unter der Fünf-Prozent-Hürde, könnte es dank des historisch guten Abschneidens der FDP sogar zu einer schwarz-gelben Mehrheit von CDU und FDP reichen. In jedem Fall ist rechnerisch eine große Koalition, ein Ampel-Bündnis oder eine sogenannte Jamaika-Koalition möglich. Die Liberalen haben eine Ampel mit SPD und Grünen aber ausgeschlossen, die Grünen ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP.

 

In einem Fünf-Parteien-Parlament ohne die Linke zeichnet sich laut Hochrechnungen folgende Sitzverteilung ab: Die CDU holt im neuen Landtag 66 bis 67 Sitze, die SPD 62 bis 63. Die Liberalen erringen 24 bis 25 Mandate, die Grünen 12 bis 13, die AfD 14 bis 16. Die absolute Mehrheit liegt - ohne Überhangmandate - bei 91 Sitzen. Die Wahlbeteiligung stieg auf 65,5 bis 66 Prozent (2012: 59,6 Prozent).

 

CDU-Wahlsieger Laschet kündigte am Abend an, er wolle mit allen «demokratischen Parteien» sprechen. «Politik ist kein Wunschkonzert, natürlich sind wir bei vielen Themen nahe bei der FDP.» Allerdings brauche das Land eine «stabile Mehrheit».

 

FDP-Landes- und Bundeschef Christian Lindner erklärte angesichts des besten Landesergebnisses seit über 50 Jahren, die Liberalen peilten Koalitionsverhandlungen mit der CDU an. Allerdings wolle er nicht automatisch eine schwarz-gelbe Koalition eingehen. «Ich bin nämlich nicht der Wunsch-Koalitionspartner von Herrn Laschet und er nicht meiner», sagte Lindner. Nach den jüngsten Erfolgen sei auch mit einem Comeback der FDP im Bund zu rechnen. Er selbst will in diesem Fall nach Berlin wechseln.

 

CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, die «Schulz-Festspiele» seien vorbei. Er mahnte die Union, trotzdem auf dem Teppich zu bleiben. Stimmungen könnten sich «fast torpedoartig ändern», warnte der bayerische Ministerpräsident. «Deshalb ist das noch längst keine Vorentscheidung für die Bundestagswahl.»

 

Die NRW-Wahl galt als wichtigster Stimmungstest vor der Bundestagswahl im September, da jeder fünfte Wähler bundesweit in dem Land zu Hause ist. Die Grünen mussten im Superwahl 2017 zum dritten Mal in Folge Verluste hinnehmen. Bundestags-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem deprimierenden Ergebnis: ««Das ist ein Schlag in die Magengrube.» Spitzenkandidat Cem Özdemir kündigte an, im Bund wolle man den Kurs der Eigenständigkeit ohne Koalitionsaussage auf jeden Fall fortsetzen.

 

Die AfD ist nun in 13 von 16 Landtagen vertreten. Parteivize Alexander Gauland räumte ein, dass die internen Konflikte vor dem Bundesparteitag im April geschadet haben könnten. Da diese Konflikte nun «hinter uns liegen, kann es ja nur besser werden», fügte er hinzu. Der Landesvorsitzende Marcus Pretzell kündigte an: «Wir werden ehrliche klare Opposition machen, den Finger in die Wunde legen, so wie die das noch gar nicht kennen.»

 

Die Linkspartei warf den Sozialdemokraten einen zu extremen Abgrenzungskurs vor. Die SPD bekomme keine Glaubwürdigkeit, «wenn sie meint, mit der FDP soziale Gerechtigkeit machen zu können», sagte Parteichef Bernd Riexinger. Kraft hatte einer rot-rot-grünen Koalition noch kurz vor der Wahl eine klare Absage erteilt.

 

Sowohl SPD als auch CDU haben im Wahlkampf eine große Koalition nicht ausgeschlossen. Als Knackpunkte gelten die Themen Innere Sicherheit und Bildungspolitik. Die Sozialdemokraten regierten mit einer Ausnahme seit gut 50 Jahren in NRW. Von 2005 bis 2010 gab es eine schwarz-gelbe Regierung unter CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

 

Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren hatte die SPD unter Hannelore Kraft mit 39,1 Prozent und 99 Sitzen noch deutlich vor der CDU (26,3 Prozent, 67 Sitze) gelegen. Als drittstärkste Kraft kamen die Grünen auf 11,3 Prozent (29 Sitze). Außerdem waren die FDP mit 8,6 Prozent (22 Sitze) und die Piraten (7,8 Prozent / 20 Sitze) vertreten. Die Linke verpasste 2012 mit 2,5 Prozent den Einzug in den Landtag. (DPA)