Luftreinhalteplan: Land sieht Stadt-Umland-Konflikt

Autos warten in Stuttgart an einer Ampelanlage. Foto: Marijan Murat/Archiv
Autos warten in Stuttgart an einer Ampelanlage. Foto: Marijan Murat/Archiv

Die Bürgerbeteiligung zum Luftreinhalteplan Stuttgart offenbart nach Angaben des Staatsministeriums einen bisher nicht diskutierten Stadt-Umland-Konflikt in der Landeshauptstadt. Auf dem Beteiligungsportal im Internet machen Städter die Pendler für die schlechte Luft in der Landeshauptstadt verantwortlich, wie ein Sprecher der Landesregierung auf Anfrage mitteilte. Im Gegenzug empörten sich Pendler darüber, dass man ihnen in Stuttgart den Weg zur Arbeit immer weiter erschwere.

Staatsrätin Gisela Erler hatte die informelle Bürgerbeteiligung Anfang April gestartet. Die rechtliche Anhörung für Einwendungen gegen die Pläne der Landesregierung läuft noch. Der Luftreinhalteplan samt Fahrverboten für viele Dieselautos soll 2018 starten. Nach drei Wochen Bürgerbeteiligung zog das Land eine positive Bilanz. Auf dem Portal sei «ausgesprochen sachlich» argumentiert worden, pauschale Beschimpfungen habe es nicht gegeben. «Es zeigte sich einmal mehr, wie gut Bürger auch bei solch streitigen Themen mitdiskutieren können», sagte Erler.

 

Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Fraktion Grüne im Landtag, sagte: «In der Diskussion um Luftreinhaltung geht es in erster Linie um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Mit dem Bürgerbeteiligungsverfahren und dem Gipfel mit der Branche zur Nachrüstung sorgen wir dafür, dass es am Ende eine transparente und ausgewogene Lösung für alle Betroffenen gibt.» Es müsse ein Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen von Pendlern, Stadtbewohnern und Wirtschaftsakteuren geschaffen werden.

 

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart will den Focus stärker auf Wissenschaft und Technologie legen. «Ein Fahrverbot für Diesel-Autos in der Innenstadt ist aus meiner Sicht überflüssig, wenn man eine mögliche Nachrüstung bei Dieselfahrzeugen auch unterhalb der Euro Norm 6 durchführt.» Sowohl Industrie und Wissenschaft vertreten die Auffassung, dass eine Umrüstung möglich sei. «Wir wollen, dass auch in Zukunft der Diesel ohne Wertverlust und ohne ideologische Kritik ein zukunftsfähiges und umweltfreundliches Fahrzeug darstellt.» Nicht nur die Bürger müssten bei der endgültigen Aufstellung des Luftreinhalteplans für Stuttgart mitreden dürfen, auch die berechtigten Einwände der Wirtschaft müssten Eingang in die endgültige Version des Plans finden.

 

118 Kommentare von 57 Nutzern gingen ein. Massenhafte Protesteinwürfe wie zuvor etwa bei den Themen Jagdgesetz oder Studiengebühren habe es nicht gegeben, was ein Sprecher des Staatsministeriums auf die doch sehr lokale Betroffenheit durch das Thema zurückführt.

Unterm Strich sei bei den Kommentaren keine klare Meinungstendenz zu erkennen gewesen. Die meisten bezogen sich auf die geplanten Fahrverbote (32) sowie auf eine nachhaltige Mobilität (30) in der Landeshauptstadt. Die Bürger wünschten sich andere Messstellen sowie Ausnahmen für die Wirtschaft bei Fahrverboten. Und sie monierten plötzliche Wertverluste für verschiedene Dieselautos. Anregungen bezogen sich auf mehr Heimarbeit an Schadstofftagen, Ausbau der Straßen und des Nahverkehrs sowie die Einführung einer City-Maut.

 

Für die Landesregierung diente die Bürgerbeteiligung im Netz auch als Vorbereitung des Dialogs zum Entwurf des neuen Luftreinhalteplans am 6. Mai, bei der neben Bürgern auch Autoindustrie und Umweltverbände zu Wort kommen. Von Juni an bewertet das Land dann alle gesammelten Argumente, damit es ab September an die Umsetzung des Plans von 2018 an gehen kann. (DPA/LSW)