Kretschmann: Diesel unverzichtbar als Übergangstechnologie

Winfried Kretschmann betrachtet einen Dieselmotor. Foto: Franziska Kraufmann/Archiv
Winfried Kretschmann betrachtet einen Dieselmotor. Foto: Franziska Kraufmann/Archiv

Die wegen der Klimaschäden umstrittenen Diesel-Fahrzeuge sind nach Ansicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für eine Übergangszeit unverzichtbar. «Wir haben jetzt den Diesel, den wir haben wollten», sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Er habe selbst Testfahrten mit Fahrzeugen einer neuen Motorengeneration bei den Autobauern Daimler und Audi gemacht. Die Technologie werde besser, der Ausstoß von Schadstoffen geringer.

«Damit ist der Diesel der beste Verbrennungsmotor, den wir haben», sagte der Grünen-Politiker mit Blick auf die neuen Modelle.

 

Dagegen sehen Experten selbst moderne Fahrzeuge als Schadstoffschleudern. Diesel-Autos überschreiten nach Darstellung des Umweltbundesamtes (UBA) im Alltag die EU-Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide um ein Vielfaches. Nach Tests und Berechnungen für das UBA stoßen Diesel, die der aktuell gültigen Abgasnorm Euro 6 entsprechen, auf der Straße im Schnitt 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus - der Grenzwert liegt bei nur 80 Milligramm. Rechtlich reicht es bislang allerdings, wenn die Diesel unter Laborbedingungen die EU-Vorgaben erfüllen.

 

Regierungschef Kretschmann betonte, dass ab September die Verfahren auch im Realbetrieb bindend seien. Die Technologien würden immer besser. Der Klimaschutz sei zentral. Nach Gesprächen mit Autobauern sei er überzeugt, dass es den sauberen Diesel auch unter Realbedingungen gebe. «Ich nehme ja nun nicht an, dass, wenn Testfahren mit dem Ministerpräsidenten gemacht werden, dass da wieder was nicht stimmt», sagte Kretschmann. Auch Justizminister Guido Wolf (CDU) sprach von einem «ungeheueren technologischen Fortschritt» hin zu einem sauberen Diesel.

 

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) appellierte an Autokäufer, ihr neues Fahrzeug genau zu prüfen. «Die Automobilindustrie ist als Hersteller in der Pflicht und in der Verantwortung, diese Mängel abzustellen beziehungsweise nachzubessern», sagte er.

 

Zur Frage der Umrüstung älterer Dieselmotoren äußerte sich Kretschmann abwartend. Eine Gruppe von Wissenschaftlern und Vertretern der Autoindustrie wolle dazu bis Ende Mai ein Ergebnis erarbeiten. «Ich bin schon verhalten zuversichtlich, dass das möglich sein wird», meinte er. Darüber, wie eine mögliche Nachrüstung von Fahrzeugen bezahlt werden könne, müsse später gesprochen werden. «Die richtige Reihenfolge einzuhalten, kann im Leben einfach richtig sein.»

 

Die SPD-Opposition im Landtag forderte, einen Fonds einzurichten, der die Kosten einer Nachrüstung abdeckt. Darin solle die Autoindustrie anteilig einzahlen. «Ich kann mir auch vorstellen, dass der Staat eine Prämie zuschießt», meinte Landtagsfraktionschef Andreas Stoch.

Stuttgart sieht sich unter Druck, weil in der Autostadt immer wieder die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide gerissen werden. An Tagen mit Feinstaubalarm sollen von 2018 an erstmals Fahrverbote für schmutzige Diesel auf einzelnen Straßen Stuttgarts gelten. Dazu läuft in der Landeshauptstadt die Fortschreibung des Luftreinhalteplanes, der vom 8. Mai an öffentlich beim Regierungspräsidium Stuttgart ausliegen soll. Ende August soll der Plan mit weiteren Schritten zur Luftreinhaltung fertig sein und dann Anfang 2018 in Kraft treten.

 

Die CDU-Fraktion im Landtag verlangte, für den Fall einer erfolgreichen Nachrüstung auch die geplanten Fahrverbote auf den Prüfstand zu stellen. «Wenn die Notwendigkeit wegfällt, müssen auch solche Maßnahmen wieder wegfallen», hieß es in einer Stellungnahme von CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart und vom verkehrspolitischen Sprecher Felix Schreiner.

 

Die Debatte um die von vielen Diesel-Besitzern kritisierten Pläne für Fahrverbote beschäftigt auch die Grünen. Verkehrsminister Hermann bekräftigte im Interview der «Stuttgarter Zeitung» und der «Stuttgarter Nachrichten» (Mittwoch) Ausnahmeregelungen. «Wir machen großzügige Ausnahmen, allerdings nur für eine zahlenmäßig kleine Gruppe.» Ausgenommen vom Fahrverbot für Dieselautos unterhalb der Euro-6-Norm sind nach diesen Plänen etwa der komplette Lieferverkehr, Fahrten von Schwerbehinderten und mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen sowie Transporte zur Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern.

 

Nicht betroffen sind demnach auch Fahrten von unaufschiebbaren technischen Dienstleistungen sowie soziale und pflegerische Dienste. Ausnahmen gebe es zudem für Taxen, Fahrschulautos und Schichtarbeiter, die nicht den öffentlichen Nahverkehr nutzen können. Hermann verlangte in dem Interview auch, dass die Autoindustrie sich stärker für die Nachrüstung von Euro-5-Dieseln engagieren müsse - auch finanziell. Er sprach sich außerdem dafür aus, den Feinstaub- in Schadstoffalarm umzubenennen. (DPA/LSW)