Autoposer und Tuner machen Kommunen zu schaffen

Ein Polizist misst den Lärmpegel am Auto eines mutmaßlichen Autoposer. Foto: Uwe Anspach
Ein Polizist misst den Lärmpegel am Auto eines mutmaßlichen Autoposer. Foto: Uwe Anspach

Der Fahrer des getunten Autos lässt den Motor röhren und die Reifen quietschen. Es wird laut auf dem Parkplatz einer Fastfood-Kette im baden-württembergischen Singen. «Der wird gleich baden gehen», sagt Sascha, der als Security für das Restaurant arbeitet und sofort die Polizei anruft. Doch bevor die Beamten auch nur in die Nähe des Parkplatzes kommen, ist von dem Fahrzeug nichts mehr zu sehen. Es ist ein Katz- und Maus-Spiel, das sich die Tuning-Szene und die Polizei an diesem Abend liefern - und beide Seiten sind davon zunehmend genervt.

 

Die Treffen der Autofans sorgen in Singen und in weiteren Städten bundesweit seit langem für Ärger, nicht nur am sogenannten Car-Freitag. Die Teilnehmer kommen freitags im Industriegebiet Singen zusammen - sie verabreden sich im Internet oder schauen spontan vorbei. Das allein wäre kein Problem. Allerdings ist die Zahl mitunter sehr hoch, an manchen Abenden kommen der Stadt zufolge mehrere Hundert Teilnehmer - oft auch aus der benachbarten Schweiz. Die Folgen: Müll, Lärmbelästigung und Sachbeschädigung.

 

Nicht immer bleibt es beim gegenseitigen Bestaunen der Fahrzeuge. Manche Fahrer liefern sich Rennen auf der nahegelegenen Autobahn, Sascha spricht zudem von Schlägereien. Wer die Autofans anspricht, hört oft: Das machen die anderen. Philipp und seine Freunde, die an diesem Abend zum Treffen gekommen sind, verdächtigen Schweizer Autofans. «Die machen den Krawall. Sie kommen hierher, tanken erstmal auf, und dann gehts zum Rennen auf die Autobahn.» Schweizer Teilnehmer widersprechen. «Wir sind nur zum Essen hier, und danach gehen wir in die Shisha-Bar», sagen etwa Michele und Gabriele.

 

Um zumindest über Ostern für Ruhe zu sorgen, hat Singen über die Feiertage ein Verbot erteilt. Vom 13. bis zum 16. April seien Ansammlungen von mehr als fünf Autos verboten, sagt ein Sprecher.

 

Auch in anderen Städten sorgen die Autofans für Ärger. In Stuttgart beschlagnahmte die Polizei im vergangenen Jahr 59 hochgetunte Autos. Bei 78 Fahrzeugen sei die Betriebserlaubnis entzogen worden. «Ein durchschnittliches Jahr», sagt Polizeisprecher Joachim Knoefel. Die Autos waren derart aufgemotzt, dass die Sicherheit gefährdet war.

 

Teils seien immer wieder die gleichen Fahrer betroffen. Wer «diese Lebensphilosophie» habe und viel Geld ins Auto stecke, für den sei es anscheinend schwer, sich nicht zeigen zu wollen. Mit Tempolimits und Fahrbahnschwellen versuche man, dem Problem Herr zu werden. Vieles werde aber nur in andere Straßen verdrängt, sagt Knoefel. Eben dorthin, wo sie eine Kulisse haben, Straßencafés, Zuschauer.

 

«Zu einem dieser Magneten für Autoposer hat sich leider unser Mannheim entwickelt», sagt Polizeioberkommissar Michael S. und seufzt. Er ist an diesem Aprilabend mit seinem Kollegen Ralf M. in einem unauffälligen Wagen unterwegs, um Mutwilligkeitsraser aus dem Verkehr zu ziehen. Ihre Nachnamen wollen die Ermittler nicht gedruckt sehen - «aus taktischen Gründen».

Für PS-Protzer seien die quadratische Streckenführung und die enge Bebauung der badischen Stadt ideal, sagt M. Allein im vergangenen Jahr beschlagnahmten die Behörden dort mehr als 70 Autos. Das häufige Muster: Manipulationen am Auspuff und rund um die Räder, das macht die Fahrzeuge laut, modisch - und gefährlich für den Verkehr.

 

Mit seiner Kelle hält Kommissar M. eine weiße Limousine an, die durch lautes Knattern auffällt. Erst im August wurde das Fahrzeug beschlagnahmt, der Besitzer musste 1000 Euro Bußgeld zahlen und erhielt einen Strafpunkt im Verkehrsregister.

 

Gelernt hat der junge Mann daraus offensichtlich nicht. Eine Lärmmessung am Auspuff ergibt weit mehr als die in den Papieren eingetragenen 88 Dezibel. Die Beamten beschlagnahmen den Wagen im Wert von mehr als 150 000 Euro erneut. Der Fahrer muss im Taxi weiterfahren und flucht.

 

Oberkommissar S. schätzt die Zahl der Autoposer in Mannheim auf 300, Tendenz steigend. «Die wachsen nach wie Pilze», meint er und schüttelt den Kopf. Dabei handelt es sich nicht mehr nur um junge Männer - Ende März stoppten die Behörden erstmals eine Poserin.

 

Mittlerweile ist das badische Karacho-Phänomen sogar museumsreif. Das Haus der Geschichte in Bonn widmete Mannheim unlängst eine eigene Vitrine. Zu sehen war ein Original-Poser-Auspuff: An der Anlage war für mehr Motorengeräusch eine Öffnung eingeschweißt worden. (DPA)