Boom bei Fitnessstudios - doch wer geht wirklich hin?

Die Fitnessbranche hätte gern, dass sich bis zum Jahr 2020 mehr als zwölf Millionen Deutsche in Fitnessstudios fit halten. Foto: Henning Kaiser
Die Fitnessbranche hätte gern, dass sich bis zum Jahr 2020 mehr als zwölf Millionen Deutsche in Fitnessstudios fit halten. Foto: Henning Kaiser

Ob Schwitzen im exklusiven «Boutique-Studio» oder Strampeln beim «Wasser-Workout»: Fitnessstudios können sich derzeit über mehr Mitglieder freuen. Doch werden die Deutschen tatsächlich immer sportlicher? Nach Angaben der Branche sind erstmals mehr als zehn Millionen Menschen in einem Studio angemeldet. Die knapp 8700 deutschen Fitnessanlagen konnten damit im vergangenen Jahr wieder ein sattes Plus um 6,6 Prozent bei den zahlenden Kunden verbuchen.

 

 

Bis zum Jahr 2020 peilt die Branche mehr als zwölf Millionen Mitglieder an. Vorgestellt werden die neuen Fitnesstrends bis Sonntag bei der Fitnessmesse Fibo in Köln. Gewinner des Booms waren im vergangenen Jahr vor allem Studios aus dem Discount-Bereich. Insbesondere die «Top-Player» der Branche wie McFit, clever fit oder FitX seien stärker als der Rest des Marktes gewachsen, berichtet Karsten Hollasch vom Beratungsunternehmen Deloitte.

 

Mitgliederstärkster Anbieter war nach den Ergebnissen einer Branchenstudie im vergangenen Jahr die McFit Gruppe mit 181 Anlagen und 1,1 Millionen Kunden. Dann folgten mit einigem Abstand die Konkurrenten clever fit, FitX, Fitness First sowie Kieser Training. Dabei zählten Ketten erstmals mehr Mitglieder als Einzelstudiobetreiber. Besonders die Kette FitX habe mit einem geschätzten Mitgliederwachstum um 70 Prozent auf 340 000 kräftig zulegen können, hieß es.

 

Die Monatspreise für Mitglieder schwanken dabei laut der Studie je nach Betriebsform: Während die Kunden in Kettenbetrieben im vergangenen Jahr im Durchschnitt 34,47 Euro zahlen mussten, wurden Mitglieder in Einzelbetrieben mit 52,45 Euro zur Kasse gebeten. Am teuersten waren die durchschnittlichen Kosten in kleinen sogenannten Mikrobetrieben mit 65,80 Euro. Rund 90 Prozent des Gesamtumsatzes de Branche von 5,05 Milliarden Euro wurden dabei durch Mitgliedsbeiträge erwirtschaftet.

 

Damit konnte die Fitnessbranche sich im vergangenen Jahr als mitgliederstärkste Trainingsform in Deutschland feiern und die Konkurrenz aus Fußball, Turnen und Tennis deutlich hinter sich lassen. Doch allein mit der Unterschrift unter den Fitnessvertrag ist nach Ansicht von Sportwissenschaftlern noch keine Karriere als regelmäßiger Sportler besiegelt: «Die Mitgliedschaft im Fitnessstudio gehört mittlerweile zum guten Ton, wie früher Golf oder Tennis», sagt Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln.

 

Denn nach der Anmeldung im Studio folge oft nach etwa acht bis zwölf Wochen ein Motivationstief, aus dem viele nicht mehr herausfänden, so Froböse. Würden alle zehn Millionen Mitglieder tatsächlich in die Fitnessstudios gehen, ginge das gar nicht, meinte der Experte. «Leider sind die Deutschen nicht spotlicher geworden», stellte er fest. «Mindestens die Hälfte sind Karteileichen», lautet sein Fazit.

 

Beim Fitnessverband DSSV verweist man dagegen auf eine vergleichsweise geringe Zahl von sogenannten «inaktiven Mitgliedern». Bei einer repräsentativen YouGov-Umfrage aus dem Jahr 2014 unter Fitnessstudio-Mitgliedern hätte lediglich drei Prozent der Befragten angegeben, «nie» im Studio zu trainieren, argumentierte DSSV-Sprecher Dustin Tusch. 18 Prozent der Befragten hätten dagegen angegeben, mindestens vier Mal in der Woche zum Training zu gehen. Aber das sind natürlich nur Auskünfte, die Menschen über sich selbst treffen.

 

Sportlich interessiert sind nach Ergebnissen der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen vor allem junge Großstadtbewohner. «Innerhalb der Bevölkerung sagen etwas mehr Männer als Frauen sowie Großstädter als Dorf- oder Kleinstadtbewohner, dass sie regelmäßig in ein Fitnessstudio gehen», berichtete der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Ulrich Reinhardt. Auch steige mit Bildung und Einkommen die Häufigkeit, mit der ein Fitnessstudio besucht werde. «Den größten Unterschied gibt es in Bezug auf das Alter. Unter-30-Jährige treiben deutlich öfter Sport in einem Fitnessstudio als der Rest der Bevölkerung», so Reinhardt.

 

Mit neuen Angeboten hat die Branche ihre Zielgruppe fest im Blick: Bei Anbietern von sogenannten Flatrates können Mitglieder für ihren Monatsbeitrag etwa unter rund 40 Sportarten und 800 Trainingsorten in ganz Deutschland wählen. Die Liste reicht vom anstrengenden Klettersport Bouldern über Yoga bis hin zu Zumba.

 

Im Trend sind auch digitale Fitnessangebote oder kombinierte Modelle aus Offline- und Online-Fitness. Online-Fitnessstudios, bei denen man zum Trainingsanleitungen im Internet finden kann, zählten nach Angaben von Deloitte Ende vergangenen Jahres rund 563 000 registrierte Mitglieder, von denen 194 000 bezahlte digitale Angebote nutzten.

 

Gute Angebote für Senioren seien derzeit jedoch oft noch Mangelware, beklagte Froböse. Für das tägliche Training im Kampf gegen den schleichenden Bewegungsmangel müsse man jedoch ohnehin nicht unbedingt ins Fitnessstudio gehen. (DPA)