Rotes Kreuz: Evakuierung von Aleppo dauert wohl noch Tage

Ein zweites Srebrenica müsse unter allen Umständen vermieden werden, mahnte US-Außenminister Kerry. Foto: Sana
Ein zweites Srebrenica müsse unter allen Umständen vermieden werden, mahnte US-Außenminister Kerry. Foto: Sana

Die Evakuierungsmission in den Rebellengebieten von Ost-Aleppo könnte nach Ansicht von Helfern noch Tage dauern.

Bis zum späten Donnerstagabend seien etwa 3000 Zivilisten und einige Verletzte aus der Stadt herausgebracht worden, sagte die Leiterin der Mission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Marianne Gasser. Trotz Dunkelheit sei die Mission zunächst weitergelaufen, die Busse seien erneut in die Rebellengebiete aufgebrochen.

Zunächst hatte sich der Beginn der Mission verzögert.

Bevor die ersten Menschen herausgebracht werden konnten, habe es Schüsse gegeben, sagte Gasser. Bis zuletzt sei nicht klar gewesen, ob die internationalen Helfer ihre Mission durchführen konnten. In den eingeschlossenen Gebieten warteten immer noch mehr als 200 Verletzte und Kranke auf ihren Abtransport.

 

Die syrische Armee rückte unterdessen in einige frühere Rebellengebiete in Ost-Aleppo ein und hisste ihre Fahnen auf den Gebäuden. Syriens Präsident Baschar al-Assad hatte Aleppo zuvor für «befreit» erklärt.

 

Der Bürgermeister des umkämpften Ostteils der Stadt warnte die Staats- und Regierungschefs der EU bei deren Gipfel in Brüssel vor den Folgen unterlassener Hilfe für die eingeschlossenen Menschen, die kurz davor seien, «massakriert zu werden». Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in Brüssel von «gezielten Angriffen auf Zivilpersonen (...), auf Krankenhäuser» und nahm auch das Assad-Regime in die Pflicht, dessen «Verstöße gegen das Völkerrecht» geahndet werden müssten. Sie warf dem UN-Sicherheitsrat Versagen vor, während Frankreichs Präsident François Hollande deutlich machte, dass für ihn auch Sanktionen gegen Russland wegen seiner Rolle im Syrien-Konflikt denkbar sind.

 

Aleppo gehörte zu den am schwersten umkämpften Orten im syrischen Bürgerkrieg. Fast seit Beginn der Kämpfe vor mehr als vier Jahren war die Stadt zwischen der syrischen Armee und bewaffneten Aufständischen geteilt. Vor einem Monat hatte die Armee zusammen mit Verbündeten eine Großoffensive auf die Rebellengebiete gestartet und fast alle Viertel im Osten Aleppos zurückerobert. Die Rebellen einigten sich mit der Führung in Damaskus auf einen Abzug.

 

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erleichtert, dass der Abzug trotz anfänglicher Probleme begonnen hat. «Wir sind froh um jedes Menschenleben, das gerettet wird und nicht in der zerbombten, verwüsteten Stadt vergeht», teilte Steinmeier mit. Es sei jetzt die Verantwortung des Assad-Regimes und seiner russischen und iranischen Verbündeten, die Versorgung der Menschen sicherzustellen und für ihre Sicherheit zu sorgen.

 

US-Außenminister John Kerry forderte eine dauerhafte Waffenruhe im syrischen Aleppo und sofortigen Zugang für Hilfskräfte. Er teile den Ärger, den die meisten Menschen angesichts der Attacken auf Frauen, Kinder und Hilfskräfte empfänden, sagte Kerry am Donnerstag in Washington. Es gebe keinerlei Rechtfertigung für die Brutalität, die das syrische Regime, die Russen und die Iraner über die vergangenen fünf Jahre an den Tag gelegt hätten, sagte Kerry.

Die fliehenden Menschen dürften keinesfalls attackiert werden, sagte der US-Außenminister. Ein zweites Srebrenica - die Tötung einer großen Zahl von Zivilisten in einem kleinen Gebiet im Konflikt Ex-Jugoslawiens - müsse unter allen Umständen vermieden werden.

 

Frankreich warb für die Entsendung von UN-Beobachtern nach Aleppo. Die Vereinten Nationen hatten pro-syrischen Truppen vor einigen Tagen vorgeworfen, bei der Offensive auf die Rebellengebiete Häuser gestürmt und zahlreiche Zivilisten getötet zu haben. Das russische Verteidigungsministerium warf den Rebellen im Gegenzug vor, in den Gefängnissen seien Zivilisten gefoltert worden.

 

Mit dem Abzug der Rebellen aus Ost-Aleppo kontrolliert die syrische Armee wieder alle großen Städte im Land. (DPA)