Grundsteinlegung für Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21

Blick auf die Baustelle des Tiefbahnhofs des Bahn-Großprojekts Stuttgart 21. Foto: Silas Stein
Blick auf die Baustelle des Tiefbahnhofs des Bahn-Großprojekts Stuttgart 21. Foto: Silas Stein

Vor mehr als sechs Jahren schon sagte Bahnchef Rüdiger Grube: «Stuttgart 21 ist ab heute Realität.» Im Februar 2010 bei der Feier zum Baubeginn des Milliarden-vorhabens Stuttgart 21 wollten Kritiker das nicht glauben. Das ist auch heute nicht anders, obwohl mit der Grundsteinlegung - wieder mit Grube als Hauptredner - das Projekt einen weiteren Meilenstein erreicht. «Von Realisierung kann keine Rede sein. Das Projekt steht noch immer auf schwankendem Boden», sagt Eisenhart von Loeper vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21.

Selbst wenn jetzt die riesige Bodenplatte für Bahnsteige und Gleise gegossen wird, halten die Gegner einen Ausstieg und einen Einstieg in eine aus ihrer Sicht verkehrlich, umweltpolitisch und finanziell günstigere Alternative noch für möglich.

 

Seit Grube damals den ersten Prellbock auf dem Gleisvorfeld symbolisch entfernte haben sich wichtige Daten des Großvorhabens verändert: Offiziell soll der Tiefbahnhof Ende 2021 in Betrieb genommen werden, ausgeschlossen wird aber auch nicht 2023. Das wäre dann vier Jahre später als ursprünglich geplant. Auch die Kosten sind seit dem Baubeginn in die Höhe geschnellt: Die einst von Grube genannte «Sollbruchstelle» von 4,5 Milliarden Euro ist bereits um bis zu zwei Milliarden Euro überschritten.

 

Wer die Mehrkosten trägt, ist unter den Projektpartnern ungeklärt. Bahn und Grüne in der Regierungskoalition liegen deshalb im Clinch. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wiederholt mantraartig, dass das Land nicht mehr als 930 Millionen Euro beisteuert - zum Unmut der Bahn.

 

Von den Kritikern beauftragte Experten, aber dem Vernehmen nach auch der Bundesrechnungshof in einem Geheim-Bericht gehen von einer Kostensteigerung auf zehn Milliarden Euro aus. Das wäre dann fast ein Vierfaches der ganz zu Anfang kalkulierten Baukosten. In einem unmittelbar vor der Grundsteinlegung bekannt gewordenen weiteren Prüfbericht fordern die Finanzkontrolleure eine stärkere Kosten- und Qualitätskontrolle des Bundesverkehrsministeriums ein. Das ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

 

Stuttgart 21 ist eines von drei prominenten Projekten in Deutschland, die nicht pünktlich fertig und immer teurer werden. Das seit Mitte der 1990er Jahre geplante Projekt wird in einem Atemzug genannt mit dem Flughafen Berlin Brandenburg und der Hamburger Elbphilharmonie. In der Debatte darüber, ob Großprojekte überhaupt noch in Deutschland gebaut werden können, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Bahn ihre Unterstützung für Stuttgart 21 zugesagt. «Wir wollen, dass es zustande kommt», hatte sie im März 2006 betont.

 

Das Wohlwollen der CDU ist der Bauherrin Bahn noch heute sicher. Aber die Grünen, die bereits die zweite Legislaturperiode eine Koalition in Baden-Württemberg anführen, haben noch immer nicht ihren Frieden mit dem Projekt geschlossen. Nach dem aus Ihrer Sicht enttäuschenden Ausgang der Volksabstimmung Ende 2011 zugunsten des Weiterbaus von Stuttgart 21 begleiten sie es mit der Faust in der Tasche. Die Einladung zur Grundsteinlegung sagte die Grünen-Prominenz ab, darunter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Minister Hermann.

 

Jetzt finden sich nur CDU-Politiker auf der Rednerliste, darunter allerdings nicht Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Christdemokraten finden den Grünen-«Boykott» «irritierend». Der Koalitionspartner dürfe den Ausgang des Volksentscheids nicht ignorieren, meint CDU-Bezirkschef Württemberg-Hohenzollern Thomas Bareiß. «Das ist schon ein seltsames Demokratieverständnis.»

 

Neben dem passiven Widerstand in einem Teil der Landesregierung gibt es immer noch den lebendigen Protest in der Landeshauptstadt. Bei der wohl längsten Protestbewegung in Deutschland versammeln sich jeden Montag immer noch mehrere Hundert Menschen in der Stuttgarter Innenstadt. Kommende Woche treffen sie sich zum 339. Mal. Sie stellen der unterirdischen Durchgangsstation mit ihren acht Gleisen das Konzept einen modernisierten Kopfbahnhofes mit 16 Gleisen gegenüber. Die Kosten für ihre Vision «K21» beziffern sie auf 3,5 Milliarden Euro. Im Fall einer Kostenexplosion für Stuttgart 21 auf zehn Milliarden Euro wäre das nach Berechnungen der Gegner über sechs Milliarden Euro billiger als die bisherigen Pläne. (DPA)