VW: Zulieferer-Streit wird zur immer größeren Belastungsprobe

Ein Mitarbeiter zeigt in Wolfsburg ein Volkswagen-Logo. Foto: Foto: Julian Stratenschulte
Ein Mitarbeiter zeigt in Wolfsburg ein Volkswagen-Logo. Foto: Foto: Julian Stratenschulte

Der beispiellose Konflikt von Volkswagen mit zwei wichtigen Zulieferern erreicht immer neue Dimensionen. Bei VW stehen angesichts eines Lieferstopps viele Bänder still, bislang sind 28 000 VW-Mitarbeiter betroffen. Die Zulieferer-Branche befürchtet Auswirkungen auch auf andere Lieferanten. Die Bundesregierung mahnte eine Lösung an. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur mühten sich der Autobauer und die Lieferanten am Montag um eine gütliche Einigung. Ergebnisse gab es am frühen Abend zunächst nicht.

Die Zulieferer ES Automobilguss und Car Trim, die zur Unternehmensgruppe Prevent gehören, beliefern VW derzeit nicht mit benötigten Getriebeteilen und Sitzbezügen. Zwischen den Firmen und VW tobt ein Streit um die Kündigung von Aufträgen. Die Hintergründe sind unklar.

 

Der Lieferstopp wirbelt große Teile der Produktion bei VW empfindlich durcheinander. Allen voran steht die Golf-Produktion im Stammwerk Wolfsburg still. Wie der Autobauer am Montag mitteilte, könnten insgesamt 27 700 Mitarbeiter in den Werken Wolfsburg, Emden, Zwickau, Kassel, Salzgitter und Braunschweig teils noch bis Ende August nicht so arbeiten, wie es eigentlich geplant sei. Der Autobauer sprach von «Flexibilisierungsmaßnahmen bis hin zu Kurzarbeit».

 

Nach Branchenangaben stehen hinter der Golf-Produktion rund 500 Lieferanten, die nun zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Wegen der Montage-Engpässe bei VW könnten sie ihre Teile nicht ausliefern und müssten Bestände aufbauen. «Die Folgewirkungen für die gesamte Wertschöpfungskette sind schon heute beträchtlich», sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, Christoph Feldmann, am Montag in Frankfurt.

 

Auch der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes NiedersachsenMetall, Volker Schmidt, sieht die Entwicklung mit Sorge. «Spätestens jetzt, da die Produktion im Stammwerk in Wolfsburg aussetzt, droht die Situation voll auf die Zuliefererketten durchzuschlagen», warnte Schmidt. Aus dem Feuer dürfe kein Flächenbrand werden. Alle Beteiligten sollten sich deshalb schnellstmöglich um eine Einigung bemühen.

 

Auch das Bundeswirtschaftsministerium dringt auf eine rasche Lösung. «Wir gehen davon aus und erwarten auch, dass die beteiligten Unternehmen die ungeklärten Fragen so bald wie möglich lösen können», sagte ein Sprecher in Berlin.

 

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh attackierte die beiden Zulieferer: «Nach unserer Auffassung liegt die Verantwortung eindeutig beim Zulieferer. Oder glauben Sie, wir als Betriebsrat fragen nicht, wessen Schuld es ist, dass unsere Kollegen zu Hause bleiben müssen», sagte Osterloh der «Bild»-Zeitung (Montag).

 

Die beteiligten Zulieferer dagegen argumentieren, VW zwinge sie zu dem Lieferstopp, da der Autobauer «frist- und grundlos» Aufträge gekündigt habe und einen finanziellen Ausgleich dafür ablehne. Der Lieferstopp geschehe zum Selbstschutz und im Kampf für die Zukunft der eigenen Mitarbeiter.

 

Bei der Firma ES Automobilguss in Schönheide im Erzgebirge ist für diesen Dienstag eine Betriebsversammlung geplant, wie die dpa erfuhr. Daraus erhofften sich die Arbeitnehmervertreter Antworten auf die vielen Fragen zur Zukunft des Zulieferers.

 

Volkswagen setzt auf eine gütliche Einigung, hat aber bereits angekündigt, notfalls alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Das Landgericht Braunschweig hatte einstweilige Verfügungen erlassen, welche die Lieferanten zur Wiederaufnahme der Belieferung verpflichten. VW könnte aber frühestens Ende dieser Woche seine Ansprüche per Gerichtsvollzieher durchsetzen und die Teile holen lassen.

 

Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin prüft nach dem Produktionsstopp bei VW, ob der Konzern die Öffentlichkeit früher über die Probleme hätte informieren müssen. «Wir werden uns das Ganze anschauen», sagte eine Behördensprecherin. Die Bafin werde prüfen, ob es sich bei dem Streit mit Zulieferern und dem folgenden Produktionsstopp um eine Insiderinformation gehandelt habe, die Volkswagen hätte veröffentlichen müssen. Ein VW-Sprecher teilte schriftlich mit: «Wir sind der Auffassung, unsere kapitalmarktrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt zu haben.»

 

Unterdessen streitet neben Volkswagen auch Daimler mit der Zulieferer-Gruppe Prevent vor Gericht. Vor dem Landgericht Braunschweig wolle der Lieferant 40 Millionen Euro Schadenersatz erstreiten, sagte ein Sprecher des Gerichts. Prevent sehe demnach Verträge von Daimler als nicht erfüllt und nicht wirksam beendet an. Am 8. November werde zunächst die Frage geklärt, welche Kammer überhaupt für das Verfahren zuständig ist. Nachdem die Klage beim Landgericht Braunschweig zunächst von der Handels- zur Zivilkammer weitegereicht wurde, sieht das Gericht nun die Zuständigkeit eigentlich in Stuttgart (Az.: 9 O 2142/15). «Bild am Sonntag» und «Süddeutsche Zeitung» hatten zuvor über den Rechtsstreit berichtet. (DPA)