Betroffene des «Radikalenerlasses» enttäuscht vom Runden Tisch

Klaus Lipps von der Initiative von Betroffenen des "Radikalenerlasses". Foto: Michael Latz/Archiv
Klaus Lipps von der Initiative von Betroffenen des "Radikalenerlasses". Foto: Michael Latz/Archiv

Eine Initiative von Betroffenen des sogenannten Radikalenerlasses zeigt sich enttäuscht vom Runden Tisch zu den erteilten Berufsverboten. Denn die erhoffte Rehabilitierung der in den 1970-er Jahren betroffenen Männer und Frauen werde es nicht geben, kritisierte Klaus Lipps von der Initiative am Freitag in Baden-Baden. Und das, obwohl diese Menschen keine Gesetze verletzt, sondern unliebsamen Parteien oder Organisationen angehört hätten. Mit der Rehablitierung eng verbunden seien auch Entschädigungsfragen.

Der Grünen-Abgeordnete und Mitglied des Runden Tisches Uli Sckerl kündigte aber an, dass in den nächsten Wochen ein wissenschaftlichen Gutachten zur Aufarbeitung des Radikalenerlasses in Auftrag gegeben werden. «Wir werden prüfen, in welcher konkreten Form es einen Ausgleichsfonds für Opfer des "Radikalenerlasses" geben kann, die jetzt keine oder nur eine sehr geringe Rente haben oder zu erwarten haben.»

 

Die SPD-Vertreterin am Runden Tisch, die Landtagsabgeordnete Rita Haller-Haid, betonte, es könne keine pauschale Entschuldigung geben. Man müsse sich die Einzelfälle genauer anschauen. Nicht alle Berufsverbote seien grundfalsch gewesen, sagte Haller-Haid, allerdings mit Blick auf Berufsverbote für Rechtsextremisten.

 

«Wenn man erst alle 2000 Fälle im Südwesten prüfen will, dann wird man sich nur bei unseren Grabsteinen entschuldigen können», sagte Lipps, dessen Initiative mehr als 100 Betroffene vertritt. Der über 70-Jährige war in seiner Jugend in politisch linken Gruppierungen. Anders als die meisten anderen Betroffenen konnte er das drohende Berufsverbot juristisch abwenden.

 

In den 70-er Jahren konnte nur Beamter sein und werden, wer für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintrat. Folge waren laut Initiative 11 000 offizielle Berufsverbotsverfahren, mehrere 100 davon in Baden-Württemberg. Nach den Worten von Haller-Haid herrschte damals ein Klima der Angst, der Schnüffelei und der Einschüchterung. Politisch sei der «Radikalenerlass» ein «absoluter Fehler» gewesen. Es sei allerdings die Frage, ob sich wirklich der Landtag entschuldigen müsse, wenn damals die Landesregierung für die Berufsverbote verantwortlich war. Insbesondere unter der Regierung des christdemokratischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger von 1966 bis 1978 ergingen zahlreiche Berufsverbote.

 

Lipps verwies auf Niedersachsen und Bremen. Dort seien die Berufsverbote generell als Unrecht gerügt worden. Er erwarte auch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein offizielles Bedauern. Kretschmann war Mitte der 1970-er Jahre selbst als angehender Referendar im Schuldienst von einem Berufsverbot bedroht, weil er Mitglied im Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) war. Von seiner radikalen Vergangenheit distanzierte sich der Grünen-Politiker jüngst öffentlich.

 

Die Grünen waren die ersten, die das Thema im Landtag aufgegriffen haben. «Dies werden wir in der kommenden Legislaturperiode fortsetzen», unterstrich Sckerl. (DPA/LSW)