Pforzheimer Jugendknast wird zentrales Abschiebegefängnis

Grün-Rot treibt Pläne für Abschiebe-Gefängnis voran. Foto: Daniel Naupold/Archiv
Grün-Rot treibt Pläne für Abschiebe-Gefängnis voran. Foto: Daniel Naupold/Archiv

Baden-Württemberg will ein eigenes Abschiebe-gefängnis einrichten für abgelehnte Asylbewerber, die andernfalls untertauchen könnten. Den Gesetzentwurf des Innen-ministeriums zum Vollzug der Abschiebungs-haft beschloss das Kabinett am Dienstag in Stuttgart. Es muss nun noch vom Landtag abgesegnet werden. Für die Unterbringung von Abschiebehäftlingen soll das bisherige Jugendgefängnis in Pforzheim umgebaut werden. Die Stadt hält die Pläne für einen schweren Fehler.

Mit den Plänen reagiert Innenminister Reinhold Gall (SPD) auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2014. Demnach dürfen Abschiebungsgefangene nicht mit Strafhäftlingen zusammen untergebracht werden. Sie haben Anspruch auf bessere Bedingungen.


Bis zum Urteil hatte Baden-Württemberg männliche Abschiebehäftlinge auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim in einem separaten Gebäude untergebracht, die weiblichen waren im Frauengefängnis von Schwäbisch Gmünd. Seit dem Urteil arbeitet das Land als Notbehelf mit Rheinland-Pfalz zusammen, das aber nicht über genügend Kapazitäten verfügt.


Die Einrichtung in Pforzheim soll im kommenden Frühjahr mit zunächst 20 Plätzen starten und im Endausbau 80 umfassen. Zu den Kosten wurden keine Angaben gemacht.


Die Stadt Pforzheim kritisierte die Entscheidung für ein Abschiebegefängnis. «Ich kann den heutigen Kabinettsbeschluss nur bedauern. Ganz offensichtlich hat die Landesregierung wieder einmal den guten Argumenten und Appellen der örtlichen Politik, der Anlieger sowie des Anstaltsbeirats selbst kein großes Gewicht beigemessen», sagte Oberbürgermeister Gert Hager (SPD).


Mit dieser Entscheidung bestehe die Gefahr, dass es in dem dicht bebauten Wohnumfeld der Anstalt zu vielfältigen Problemen und Störungen der Anlieger komme. «Denkbar sind beispielsweise Demonstrationen von Abschiebungsgegnern», sagte Hager.


Für den Standort Pforzheim sprach aus Sicht der Landesregierung die Nähe zu den Flughäfen Stuttgart, Karlsruhe/Baden-Baden und Frankfurt sowie eine gute Autobahnanbindung. Derzeit sitzen in der Haftanstalt nach Auskunft des Justizministeriums (Stichtag: 30. September 2015) 40 junge Strafgefangene ein. Sie sollen in das Jugendgefängnis Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis) umziehen. In der Haftanstalt können derzeit 108 Gefangene untergebracht werden.


Nach dem Gesetzentwurf von Grün-Rot werden Frauen und Männer getrennt untergebracht. Davon kann aber abgewichen werden, wenn mehrere Angehörige derselben Familie zusammen abgeschoben werden sollen. Bei der Unterbringung muss auf religiöse und ethnische Zugehörigkeit geachtet werden. Die Bediensteten dürfen in der Abschiebungshaft keine Schusswaffen einsetzen.


Pforzheim blickt auf eine lange Tradition der Schmuckindustrie zurück. Auch heute noch kommen rund 80 Prozent des aus Deutschland exportierten Schmucks aus Pforzheim. Insgesamt zählen Pforzheim und der Enzkreis heute über 11 000 Arbeitnehmer in der Schmuck- und Uhrenindustrie. Zusätzlich leben und arbeiten hier zahlreiche Schmuckdesigner, die individuellen Schmuck per Hand fertigen. (DPA/LSW)