Die Tür zum Fight Club: Passen Kind und Karriere zusammen?

Endlich eine Familie! Das wünschen sich viele. Und mit der Idee ist die Frage da: Wie Job und Baby unter einen Hut kriegen? Foto: Tetra Images/Bildagentur-online
Endlich eine Familie! Das wünschen sich viele. Und mit der Idee ist die Frage da: Wie Job und Baby unter einen Hut kriegen? Foto: Tetra Images/Bildagentur-online

Wer Ende Zwanzig ist, will oft beides: Einen Job und ein Kind. Jahrelang hat man die Ausbildung gemacht oder studiert, dann den Berufseinstieg geschafft. Die Familiengründung wäre für viele jetzt der nächste Schritt. Doch wenn der Tag im Job lang war, melden sich bei vielen die Zweifel. Schafft man das überhaupt? Oder läuft man sehenden Auges in die Überforderung? Im Abstand von wenigen Monaten kamen im vergangenen Jahr mehrere Sachbücher auf den Markt, in denen es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ging. 

Dazu gehören etwa «Die Alles ist möglich Lüge. Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind» von Susanne Garsoffky und Britta Sembach, «Geht alles gar nicht. Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können» von Marc Brost und Heinrich Wefing und «Seid fruchtbar und beschwert Euch! Ein Plädoyer für Kinder - trotz allem» von Malte Welding. Bei allen Unterschieden haben die Bücher eine gemeinsame Kernaussage: Familie und Karriere - so wie sie bisher gedacht werden - sind unvereinbar.


Die «Zeit»-Redakteure Brost und Wefing arbeiten in ihrem Buch vier Ursachen heraus, mit denen sie die Unvereinbarkeit begründen. Da ist die Beschleunigung des Arbeitslebens. Gleichzeitig brechen traditionelle Geschlechterrollen weg. Und schließlich sind da die eigenen Erwartungen: Man wollte doch etwas reißen und erfolgreich sein! Woher da noch die Zeit für ein Kind nehmen? Das Resümee ziehen die Autoren schon im Titel: «Geht alles gar nicht».


Die Journalistinnen Garsoffky und Sembach sind in ihrem Schluss drastischer. Jahrelang hätten sie geglaubt, dass Kind und Karriere möglich ist. Kurz nach der Geburt sind sie in Vollzeit in den Job zurückgekehrt, reiben sich auf. Als die Kinder in der Grundschule sind, kündigen sie. Ihr Lebenskonzept sei gescheitert. Welding schreibt, Kinder zu bekommen, bedeute Mitglied im Fight Club zu werden. Viele noch kinderlose Berufstätige dürften nach der Lektüre mindestens verunsichert sein. Fight Club? War das nicht der Film, in dem sich Menschen in einem Keller treffen und sich gegenseitig krankenhausreif prügeln? Also alles Lüge, dass man beides haben kann?


«Unser Buch ist eine Bestandsaufnahme, keine Kapitulationserklärung», sagt Heinrich Wefing. Es sei eine Verarbeitung ihrer Situation als berufstätige Väter. Sie hätten ihren Frust aufgeschrieben, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der derzeitigen Form nicht funktioniert. Ihr Buch sei der Versuch, all den überforderten Vätern und Müttern eine Stimme zu geben und zu sagen: Wir stoßen alle an eine Grenze. Und Marc Brost ergänzt: «Niemand weiß im Moment, wie es gehen soll. Aber das bedeutet nicht, dass wir verzagt sind. Wir wollen nur, dass endlich nach Lösungen gesucht wird.»


Alle Autoren sagen klar: Um eine bessere Vereinbarkeit zu erreichen, reicht es nicht aus, dass sich die einzelnen Familien noch besser organisieren. Vielmehr müsse es neue, gesellschaftliche Konzepte geben. Doch der Einzelne kommt damit auf die Schnelle nicht weit.


«Es gibt keinen Masterplan», sagt Lena Schröder-Dönges. Sie coacht junge Berufstätige, die überlegen, ein Kind zu bekommen, sowie junge Eltern, die nach der Babypause in den Beruf wieder einsteigen wollen. «Das kann sich vorher keiner vorstellen, was das bedeutet.» Jedes Paar müsse seinen eigenen Weg finden. Was für eine Familie möchte man sein? Wo sind die Prioritäten? Solche Fragen lassen sich diskutieren.


Hilfreich ist sicher auch, bei der Arbeitgeberwahl darauf zu achten, wie der Betrieb zum Thema Vereinbarkeit steht, sagt Silke Mekat, Karrierecoach zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wirbt der Arbeitgeber zum Beispiel damit, familienfreundlich zu sein? Wenn das der Fall ist, sollten Bewerber ruhig mutig sein und sich erkundigen, wie das konkret aussieht, rät Mekat.


Im Nachhinein würde Susanne Garsoffky selbstbewusster einfordern, dass der Betrieb auf sie Rücksicht nehmen muss. «Wenn mehr junge Eltern lauthals mehr Rücksicht fordern würden, müsste der Einzelne auch mit weniger Konsequenzen vonseiten der Chefs rechnen.» Junge Eltern könnten zum Beispiel eine Eltern-Lobby gründen und sich Unterstützung vom Betriebsrat holen. Sie rät außerdem dazu, sich am Anfang für die Familie mehr Zeit zu nehmen. «Nach wenigen Wochen oder Monaten wieder Vollzeit zu arbeiten, erfordert Opfer», sagt sie. Zunächst ist das für viele in Ordnung. Doch im Laufe des Berufs- und Familienlebens kämen noch viele Opfer auf die jungen Eltern zu.


Letztendlich bleibt jedem Paar nur, seinen eigenen Weg zu finden. Brost und Wefing plädieren dafür, sich angesichts fehlender funktionierender Modelle selbst eine Geschichte zu erfinden. Eine Geschichte eines Lebensentwurfs, die man erzählen kann, ohne rot zu werden, ohne zu idealisieren und sich kleinzumachen. (DPA/TMN)


Service:

Marc Brost und Heinrich Wefing: Geht alles gar nicht. Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können, Rowohlt, März 2015, 240 Seiten, 16,95 Euro, ISBN-13: 978-3498004156


Susanne Garsoffky und Britta Sembach: Die Alles ist möglich-Lüge. Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind, Pantheon Verlag, September 2014, 256 Seiten, 17,99 Euro, ISBN-13: 978-3570552520


Malte Welding: Seid fruchtbar und beschwert euch! Ein Plädoyer für Kinder - trotz allem, Kiwi-Paperback, Januar 2015, 13,99 Euro, ISBN-13: 978-3462047080