Stromautobahn in die Industrieregion Stuttgart vom Tisch

Eine Stromtrasse in Wendlingen sei derzeit nicht nötig. Foto: D. Ebener/Archiv
Eine Stromtrasse in Wendlingen sei derzeit nicht nötig. Foto: D. Ebener/Archiv

Beim Bau von Höchstspannungsleitungen für den Transport von Windstrom von Nord nach Süd gibt es für Baden-Württemberg eine wichtige Änderung: Das geplante Teilstück in die Industrieregion Stuttgart soll nun doch nicht gebaut werden. Die Bundesnetzagentur hat den Abzweig der großen Gleichstromtrasse in den Raum Wendlingen (Kreis Esslingen) als derzeit nicht nötig eingestuft. «Das heißt, dass diese Trasse bis 2024 nicht gebaut sein muss», sagte ein Sprecher der für den Netzausbau zuständigen Bundesbehörde. 

Der Netzbetreiber Transnet BW akzeptiert die Entscheidung. «Das können wir nachvollziehen», sagte eine Sprecherin.


Baden-Württemberg bleibt aber auch nach dieser Planänderung immer noch Ziel zweier dieser milliardenschweren Stromautobahnen. Die eine Trasse soll von Emden in Niedersachsen nach Philippsburg (Kreis Karlsruhe) führen, die andere von Brunsbüttel in Schleswig-Holstein nach Leingarten-Großgartach (Kreis Heilbronn). Allerdings wird die Hauptschlagader der Energiewende, der sogenannte SuedLink, von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wegen der Belastungen für die Bürger infrage gestellt.


Die Bundesnetzagentur hat bei ihrer Überprüfung der Netzplanung erstmals einkalkuliert, dass künftig nicht mehr jede Kilowattstunde aus erneuerbaren Energien ins Netz eingespeist werden muss. Dahinter stehen die Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und neue Ausbauziele vor allem bei der Windkraft. Deshalb sei das Teilstück Richtung Wendlingen aus der Planung für das Bedarfsjahr 2024 herausgefallen. Mit Hilfe der Trassen soll bis zum Jahr 2022 Windstrom vom Norden in den Süden gebracht werden.


Transnet BW hatte erst vor einigen Monaten den ursprünglich geplanten Abzweig nach Hüttlingen-Goldshöfe (Ostalbkreis) durch die Leitung nach Wendlingen ersetzt. «Die Rahmenbedingungen haben sich geändert, darauf müssen wir uns einstellen», sagte die Sprecherin von Transnet BW. Damit sei das Projekt mittelfristig vom Tisch. «Wir können nicht ausschließen, dass der Bedarf in Jahrzehnten wieder entsteht.» Das grün-geführte Umweltministerium sagte jedoch zu der Einschätzung der Bundesnetzagentur: «Das ist eine Momentaufnahme, die nächste Momentaufnahme findet im kommenden Jahr statt.»


Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel zeigte sich erleichtert, «dass derzeit nicht mit einem Netzverknüpfungspunkt oder gar einem Konverter im Raum Wendlingen am Neckar zu rechnen ist». Weigel hatte Anfang Februar gemeinsam mit Esslingens Landrat Heinz Eininger einen Brief an die Bundesnetzagentur geschrieben, um zu erläutern, dass der «Abstecher» nach Wendlingen nicht nötig sei. Darin heißt es unter anderem, dass der Raum Stuttgart dank sehr guter Netzinfrastruktur gut von Großgartach aus versorgt werden könne.


In den nächsten zehn Jahren sollen 2800 Kilometer an neuen Höchstspannungsleitungen gebaut und 2900 Kilometer im bestehenden Netz optimiert werden. Als Kosten werden mindestens 22 Milliarden Euro veranschlagt - ohne Erdkabel. Die Lage der Trassenkorridore ist im Vergleich zu den Anfangs- und Endpunkten noch sehr vage. Derzeit werden sie in einem Suchraum von mehreren hundert Kilometern Breite ermittelt. Die Trassen sollen so in Betrieb gehen, dass sie die letzten zwei Atommeiler im Südwesten in Philippsburg und Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) ersetzen können. In Philippsburg (Kreis Karlsruhe) soll der verbliebene Reaktor 2019 abgeschaltet werden, in Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) im Jahr 2022. (DPA/LSW)