EM-Debakel für deutsche Leichtathleten: 8 Medaillen

Kugelstoßerin Christina Schwanitz holte souverän Gold. Foto: Bernd Thissen
Kugelstoßerin Christina Schwanitz holte souverän Gold. Foto: Bernd Thissen

Die deutschen Leichtathleten haben bei der EM in Zürich ein historisches Debakel erlebt. Doppel-Gold durch Kugelstoßerin Christina Schwanitz und Hindernisläuferin Antje Möldner-Schmidt sowie Silber durch die Sprintstaffel der Männer schönten die Bilanz am Schlusstag noch etwas. Doch am Ende schnitt das 92-köpfige Team mit insgesamt acht Medaillen (4/1/3) in 47 Entscheidungen sogar noch schlechter ab als beim Tiefpunkt vor acht Jahren in Göteborg:

2006 hatte die einstige Leichtathletik-Nation elf Plaketten (4/5/2) mit nach Hause genommen.

 

Im Medaillenspiegel landeten die Deutschen dennoch auf einem respektablen dritten Rang - hinter den überragenden Briten (12 Gold/5 Silber/6 Bronze) und den überraschend starken Franzosen (9/8/6). In der aussagekräftigeren Nationen-Punktwertung standen am Ende Russland (215), Großbritannien (196) und die Franzosen (192) vor Deutschland (167).

 

Nach Ansicht von Verbandspräsident Clemens Prokop hat die junge Mannschaft (Durchschnittsalter 25,2 Jahre) damit ihre Pflicht erfüllt. «Bei der Kür sind aber nicht alle Hoffnungen aufgegangen», resümierte er. «Die Perspektive ist auf die Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro ausgerichtet», sagte Prokop. «Und eine ganze Reihe von jungen Athleten haben hier Ausrufezeichen gesetzt.»

 

Nur auf die starken Männer und kräftigen Frauen war wieder einmal Verlass: Fünf Tage nach dem Auftaktsieg von David Storl vergoldete auch Kollegin Christina Schwanitz ihre Kugel: 19,90 Meter - das reichte locker zum EM-Titel für die WM-Zweite vom LV 90 Erzgebirge. «Das war kein Kinderspiel, es war richtig Sport. Aber nach dem zweiten Versuch war abzusehen, dass ich gewinne», erklärte die 28-Jährige nach dem erwarteten Gold mit strahlendem Gesicht.

 

Antje Möldner-Schmidt sorgte im 3000-Meter-Hindernisrennen für eine Überraschung. Vor zwei Jahren noch Dritte, avancierte die 30-Jährige aus Cottbus dank eines kraftvollen Endspurts zur ersten deutschen Europameisterin auf dieser Strecke. «Ich habe erstmal geschaut, was ging und mich hinten raus auf meinen Spurt verlassen. Wahnsinn!», meinte sie nach ihrem Coup freudestrahlend im ZDF-Interview.

 

Diskus-Riese Robert Harting, schon Olympiasieger und dreifacher Weltmeister, war auch in Europa wieder der Chef im Ring. EM-Dritte wurden Hürdensprinterin Cindy Roleder, Speerwerferin Linda Linda Stahl und die erst 21 Jahre alte Diskuswerferin Shanice Craft. Das erste Silber für den DLV steuerte am Sonntag die 4 x 100-Meter-Staffel bei: Julian Reus, Sven Knipphals, Alexander Kosenkow und Lucas Jakubczyk mussten in 38,09 Sekunden nur das britische Quartett (37,93) vorbeiziehen lassen. «Wir haben ein super Rennen gemacht», sagte der Wattenscheider Startläufer Reus.

 

Die beiden Staffeln über 4 x 400 Meter - jeweils Sechste - und das hoch gehandelte deutsche 1500-Meter-Trio gingen am Sonntag leer aus, während der Franzose Mahiedine Mekhissi-Benabbad unter den Pfiffen des Publikums zu Gold stürmte. Der «Buhmann» hatte sich im Endspurt über 3000 Meter Hindernis das Trikot vom Leib gerissen, wurde disqualifiziert und löste eine Welle der Empörung aus. Auch Homiyu Tesfaye, im 1500-Meter-Finale als bester Deutscher Fünfter, hatte den Franzosen kritisiert.

 

Pech kam für die deutschen Asse bei den 22. Europameisterschaften mit viel Regen, Wind und etlichen Pannen aber auch dazu: Allein sechsmal verpassten sie als Vierte das Podest nur knapp, Siebenkämpferin Carolin Schäfer schrammte um 28 Punkte an Bronze vorbei; Stabhochspringerin Lisa Ryzih landete höhengleich ebenfalls auf dem undankbaren vierten Rang. Richard Ringer (Friedrichshafen) errang als Vierter über 5000 Meter einen Achtungserfolg.

 

Dagegen produzierten Weitspringer Christian Reif und das Speerwurf-Duo der Männer die größten Enttäuschungen des Wochenendes: Der Europameister von 2010 kam mit schwachen 7,95 Metern nicht über Platz acht hinaus. In dieser Saison war der als Mitfavorit gehandelte Rehlinger schon 54 Zentimeter weiter gesprungen. Bester deutscher Speerwerfer war der Mannheimer Andreas Hofmann auf Platz neun - fast elf Meter hinter dem finnischen Champion Antti Ruuskanen.

 

Schon am Samstag hatte es nur eine Medaille und etliche Enttäuschungen gegeben. Allerdings: Bronze im Diskusring für Shanice Craft könnte den Trend für die WM 2015 (Peking) und Olympia 2016 (Rio) aufzeigen. «Nach dem letzten Wurf sind mir die Tränen gekommen», gestand die Hoffnungsträgerin von der MTG Mannheim. «Das ist die wertvollste Medaille, die ich bisher gewonnen habe.» (DPA)

 

Die deutschen EM-Medaillengewinner in Zürich:

Gold (4):  
Männer, Kugelstoß: David Storl (Chemnitz)
Männer, Diskuswurf: Robert Harting (Berlin)
Frauen, 3000 m Hindernis: Antje Möldner-Schmidt (Cottbus)
Frauen, Kugelstoß: Christina Schwanitz (Thum)
Silber (1):  
Männer, 4 x 100 m: Julian Reus/Wattenscheid
  Sven Knipphals/Wolfsburg
  Alexander Kosenkow/Wattenscheid
  Lucas Jakubczyk/Berlin
Bronze (3):  
Frauen, 100 m Hürden: Cindy Roleder (Leipzig)
Frauen, Diskuswurf: Shanice Craft (Mannheim)
Frauen, Speerwurf: Linda Stahl (Leverkusen)

Die deutsche Medaillenbilanz bei Europameisterschaften seit 1986:

Jahr Ort Platz Gold Silber Bronze Gesamt
1986 Stuttgart 2 11 10 8 29 DDR
    6 2 4 5 11 BR Deutschland
1990 Split 1 12 12 10 34 DDR
    6 3 2 2 7 BR Deutschland
1994 Helsinki 3 5 4 5 14
1998 Budapest 2 8 7 8 23
2002 München 8 2 9 8 19
2006 Göteborg 2 4 4 2 10
2010 Barcelona 4 4 6 6 16
2012 Helsinki 1 6 6 4 16
2014 Zürich 3 4 1 3 8
 

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