Dutzende Tote bei Giftgasangriff in Syrien

Unter den zahlreichen Toten des Giftgasangriffs sollen sich auch etliche Kinder befinden. Foto: Edlib Media Center/AP
Unter den zahlreichen Toten des Giftgasangriffs sollen sich auch etliche Kinder befinden. Foto: Edlib Media Center/AP

Die USA haben Russland und den Iran nach dem schweren Giftgasangriff in Syrien in scharfer Form aufgerufen, ihren Einfluss auf Präsident Baschar al-Assad geltend zu machen. «Es ist klar, wie Assad operiert: mit brutaler, unverfrorener Barbarei», erklärte US-Außenminister Rex Tillerson am Dienstag in Washington in einer Mitteilung. Die Unterstützer Assads sollten sich keinerlei Illusionen über ihn oder seine Absichten hingeben.

Bei einem der schwersten Angriffe mit Giftgas in dem Bürgerkrieg sind Aktivisten zufolge mindestens 58 Menschen getötet worden, darunter 19 Kinder und elf Frauen.

 

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete am Dienstag aus der von Rebellen kontrollierten Stadt Chan Scheichun im Nordwesten des Landes zudem Dutzende Verletzte. Mehrere Stellen machten die Assad-Regierung verantwortlich. Die Rettungshelfer der Organisation Weißhelme berichteten sogar von 240 Verletzten. Die Hilfsorganisation Union of Medical Care and Relief Organizations (UOSSM) sprach von 100 Toten und 400 Verletzten.

 

Die Vereinten Nationen kündigten eine Untersuchung an. Der UN-Sicherheitsrat wollte am Mittwoch auf Antrag Frankreichs und Großbritanniens zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.

 

Jeder, der chemische Waffen einsetze, um seine eigenen Leute anzugreifen, zeige eine fundamentale Verachtung für menschlichen Anstand und müsse zur Rechenschaft gezogen werden, erklärte Tillerson. «Wir rufen Russland und Iran auf, ihren Einfluss auf das syrische Regime auszuüben und auszuschließen, dass sich eine solch schreckliche Attacke wiederholt», schrieb er. Die USA waren erst vor wenigen Tagen von ihrer bisherigen Linie abgerückt und hatten erklärt, die Syrer seien selbst für ihre Zukunft und die Assads verantwortlich. Die jüngste Äußerung Tillersons ist eine neuerliche Wende.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte «den offensichtlichen C-Waffenangriff». «Solche Kriegsverbrechen müssen bestraft werden», zitierte Regierungssprecher Steffen Seibert die Kanzlerin auf Twitter.

 

Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) zeigte sich zutiefst besorgt. Experten der OPCW sammelten und analysierten zur Zeit alle verfügbaren Informationen, teilte die Organisation in Den Haag mit.

Auch Frankreichen und Großbritannien sahen die syrische Regierung hinter dem Angriff. «Wie am 21. August 2013 in Ghouta greift Baschar al-Assad Zivilisten an und nutzt dabei Mittel, die von der internationalen Gemeinschaft geächtet sind», teilte der Élyséepalast am Dienstag mit. Der britische Außenminister Boris Johnson erklärte: «Das trägt alle Anzeichen eines Angriffs durch das Regime, das wiederholt chemische Waffen eingesetzt hat.»

 

Auch Aktivisten machten für den Angriff Jets der syrischen Luftwaffe verantwortlich. Diese wies den Vorwurf zurück. Ein syrischer General, der ungenannt bleiben wollte, erklärte, die syrische Armee habe in Chan Scheichun kein Giftgas eingesetzt.

 

Die Menschenrechtsbeobachter erklärten, Jets hätten am Morgen mehrere Angriffe geflogen. Menschen seien in Ohnmacht gefallen, hätten sich erbrochen und Schaum vor dem Mund gehabt. Der Zustand vieler Verletzter sei ernst. Bilder im Internet zeigten zahlreiche Leichen und Opfer, die mit Sauerstoff behandelt wurden.

 

Später am Tag hätten Jets Chan Scheichun erneut angegriffen, meldeten die Menschenrechtler. Andere Aktivisten erklärten, bombardiert worden sei eine Klinik, in der Verletzte behandelt worden seien. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Menschenrechtler sitzen in England, stützen sich aber auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien. Ihre Angaben haben sich als zuverlässig erwiesen.

 

Chan Scheichun liegt im Süden der Provinz Idlib, die von unterschiedlichen Rebellengruppen kontrolliert wird. Eigentlich gilt in dem Bürgerkriegsland seit Ende des vergangenen Jahres eine von Russland und der Türkei ausgehandelte Waffenruhe. Diese ist jedoch brüchig. Ausgenommen von der Waffenruhe sind die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Al-Kaida-nahe Organisation Tahrir al-Scham. Diese ist besonders in der Provinz Idlib stark.

 

UN-Ermittler hatten Syriens Regierung im März vorgeworfen, in den vergangenen Monaten im Kampf um die Stadt Aleppo und andernorts Chlorgas eingesetzt zu haben. Ein Bericht der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates sprach von mindestens fünf Chlorgas-Angriffen regierungstreuer Kräfte seit Anfang dieses Jahres.

 

Bereits 2013 waren östlich der Hauptstadt Damaskus bei Angriffen mit Giftgas rund 1400 Menschen getötet worden. Die Opposition und der Westen machten dafür Syriens Regierung verantwortlich. Diese stimmte danach zu, alle Giftgasvorräte zu vernichten. Chlor fiel jedoch nicht unter das Verbot, weil es für zivile Zwecken benötigt wird. Im vergangenen Dezember starben einer Hilfsorganisation zufolge in der Provinz Hama bei einem Giftgasangriff 93 Zivilisten. (DPA)