Türkei bleibt bei Wahlkampf in Deutschland und Nazi-Vorwurf

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu (M.) lässt sich in Hamburg im Garten der Residenz des türkischen Generalkonsuls von seinen Ahängern feiern. Foto: Axel Heimken
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu (M.) lässt sich in Hamburg im Garten der Residenz des türkischen Generalkonsuls von seinen Ahängern feiern. Foto: Axel Heimken

Im Streit um verhinderte Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland bemühen Vertreter Ankaras weiter Vergleiche mit Nazi-Deutschland. Nach Präsident Recep Tayyip Erdogan zog auch sein Außenminister Mevlüt Cavusoglu einen Vergleich zur Nazi-Zeit. «Das ist ein total repressives System», sagte er der Zeitung «Hürriyet» (Online). «Alle Praktiken ähneln denen der Nazi-Zeit.»

Bundeskanzlerin Angela Merkel rief angesichts des Streit zu Souveränität im Umgang mit der Türkei auf.

Deutschland müsse den Konflikt mit Ankara um Wahlkampf-Auftritte türkischer Minister im Land auszuhalten, sagte die Kanzlerin in einer Unionsfraktionssitzung in Berlin nach Teilnehmerangaben. Es sei nicht klug, wenn Deutschland der Türkei die Einschränkung der Meinungsfreiheit vorwerfe und dann mit Einschränkung der Meinungsfreiheit antworte.

Ein ursprünglich in einem Festsaal in Hamburg geplanter Wahlkampfauftritt Cavusoglus war von den kommunalen Behörden wegen mangelhaften Brandschutzes abgesagt worden. Stattdessen begab sich Cavusoglu am Dienstag in die Residenz des türkischen Generalkonsuls in Hamburg. Trotz einer angemeldeten Gegendemonstration wollte der Minister dort eventuell eine Balkon-Rede halten.

 

Zeitgleich war in der Nähe der Residenz an der Außenalster eine Protestaktion angemeldet. Das Bündnis «Nein zum Referendum» aus verschiedenen kurdischen und türkischen Organisationen will für Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit demonstrieren. Die Umgebung rund um die Residenz wurde schon am Nachmittag von der Polizei weiträumig abgesperrt.

 

Die umstrittenen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland haben das Referendum am 16. April zum Thema, bei dem auch die rund 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei abstimmen dürfen.

 

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in der Sitzung der Unionsfraktion den Angaben zufolge, dass Erdogan bewusst Provokationen anfache, um die Wahlbeteiligung der in Deutschland lebenden Türken zu erhöhen. Das Präsidialsystem würde die Macht des türkischen Parlaments deutlich schwächen.

 

Angesichts der zuletzt geäußerten Vorwürfe forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Erdogan zu einer Klarstellung seines «fürchterlichen» Nazi-Vergleiches auf. «Es wäre klug, wenn Präsident Erdogan möglichst schnell einen Weg finden würde, das aus der Welt zu schaffen», sagte Schäuble in Berlin. Alle hätten ein Interesse daran, nicht in einen Wettlauf der Eskalation einzutreten. «Aber wir können nicht akzeptieren, dass in einer solchen Weise über Deutschland geredet wird», sagte Schäuble.

 

Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer appellierte unterdessen an Kanzlerin Merkel, türkischen Wahlkampf auf deutschem Boden für unerwünscht zu erklären. Die Türkei würde dann von sich aus kaum noch Auftritte in Deutschland anstreben, sagte der CSU-Politiker in Berlin. «Wir wollen keinen Wahlkampf auf deutschem Boden.»

 

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hält Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland für «extrem problematisch». «Insgesamt muss man natürlich sagen, dass es sehr, sehr schwierig ist, wenn die türkische Regierung Werbung macht hier in Deutschland für eine Verfassung, die weit entfernt ist von dem, was wir unter demokratischen Regeln verstehen», sagte Dreyer, die auch Bundesratspräsidentin ist. «Umgekehrt traue ich aber auch unserer Demokratie zu, dass sie stark genug ist, mit solchen Meinungsäußerungen umzugehen.» In einer freien Demokratie müsse die Meinungsfreiheit garantiert werden.

 

Der Streit um die Wahlkampf-Auftritte schadet nach Ansicht der Türkischen Gemeinde vielen Türken im Land. Die türkische Regierung transportiere mit unbegründet harter Sprache Bedrohung und Verleumdung. «Es handelt sich um ein verantwortungsloses Vorgehen, das die türkeistämmigen Menschen in Deutschland, ganz unabhängig von ihren jeweiligen türkeipolitischen Einstellungen, um ihre verbesserten Perspektiven bringt», kritisierte die Gemeinde am Dienstag in einem offenen Brief an beide Regierungen. Die türkische Gemeinschaft in Deutschland zahle den Preis «für dieses sinnlose populistische Anheizen».

 

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci kündigte rechtliche Schritte gegen die «Bild»-Zeitung an. In einer vom Presseamt am Dienstag verschickten Mitteilung kritisierte Zeybekci einen «empörenden Angriff, den wir auf keinen Fall akzeptieren können».

 

Möglicherweise bezieht sich der Minister auf einen Bericht bei bild.de, in dem er als «treuester Kettenhund» Erdogans bezeichnet wurde. «Wir werden uns öffentlich nicht dazu äußern», sagte die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Axel Springer SE, Edda Fels, zu den Vorwürfen. «Aber wir werden das natürlich prüfen, wenn gegen «Bild» juristisch vorgegangen werden soll.»