Grüne: «katastrophale Pannen» bei Abschiebungen

Ein mit abgelehnten Asylsuchenden besetztes Flugzeug startet in Richtung Afghanistan. Foto: Matthias Balk
Ein mit abgelehnten Asylsuchenden besetztes Flugzeug startet in Richtung Afghanistan. Foto: Matthias Balk

Die Grünen werfen Innenminister Thomas Strobl (CDU) «katastrophale Pannen» bei der Auswahl von abgelehnten Asylbewerbern für die Abschiebung nach Afghanistan vor. Es geht um einen Familienvater und einen offensichtlich kranken Mann, deren Abschiebungen die Gerichte am Mittwoch kurzfristig ausgesetzt hatten. Die Grünen im Landtag beantragten, das Thema «mangelnde Sorgfalt und unzureichende Einzelfallprüfungen des Innenministeriums bei Abschiebungen nach Afghanistan» am 7. März im Koalitionsausschuss zu besprechen.

Das Innenministerium wies die Vorwürfe zurück.

 

Der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen im Landtag, Uli Sckerl, sagte: «Wir haben in der Koalition vereinbart, dass das Land sich bei Rückführungen auf Straftäter und alleinreisende Männer konzentriert.» Abschiebungen von Familienvätern und Schwerkranken gingen gar nicht. Auch das Staatsministerium hat Gesprächsbedarf. Es sei unabdingbar, dass die gemeinsamen Kriterien für Abschiebungen eingehalten würden, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet der Deutschen Presse-Agentur. Gerade bei Afghanistan müsse wegen der prekären Sicherheitslage jeder Einzelfall mit größter Sorgfalt geprüft werden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hatte die Abschiebung eines türkisch-afghanischen Mannes ausgesetzt, der zwei minderjährige Kinder hat. Zudem darf nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zunächst auch ein Afghane, der eine depressive Störung haben und suizidgefährdet sein soll, nicht in seine Heimat zurückgebracht werden. Insgesamt wurden am Mittwochabend vier Männer, die in Baden-Württemberg lebten, nach Kabul geflogen.

 

Ein Sprecher von Innenminister Strobl sagte zu den Vorwürfen der Grünen: «Die Einzelfallprüfungen finden sorgfältig und rechtsstaatlich statt. Die vorgesehenen und vorgenommenen Abschiebungen sind von den Vereinbarungen innerhalb der Landesregierung absolut gedeckt.» Klar sei, dass zum rechtsstaatlichen Verfahren bei Abschiebungen auch die Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen gehöre.

 

Strobl selbst verteidigte die Abschiebung von vier Männern am Mittwochabend. «Baden-Württemberg vollzieht weiter und mit Konsequenz Recht und Gesetz.» Die Grüne Jugend, die Linke und der Flüchtlingsrat hatten die grün-schwarze Landesregierung aufgefordert, sich wegen der Sicherheitslage in Afghanistan nicht an der Aktion zu beteiligen. Das lehnte aber auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ab.

 

«Allen ist klar, dass die Lage in Afghanistan - wie übrigens in großen Teilen der Welt - nicht einfach ist», erklärte Strobl. «Wenn wir aber den Menschen Schutz geben wollen, die tatsächlich unseren Schutz brauchen, müssen wir jene, die ausreisepflichtig sind, in ihre Heimatländer zurückführen. Sonst höhlen wir den Rechtsstaat aus.»

 

Unter anderem hatte sich Schleswig-Holstein nicht an der vom Bund organisierten Abschiebung beteiligt. Der Fraktionsvize der SPD im baden-württembergischen Landtag, Sascha Binder, sagte, wenn Kretschmann es mit seinen Skrupeln zu Abschiebungen nach Afghanistan ernst meine, dann solle er mit seinem Koalitionspartner einen rechtlich zulässigen dreimonatigen Abschiebestopp für Afghanistan verhängen. Nötig sei bei diesem sensiblen Thema auf jeden Fall, dass Grüne und CDU schnell zu einem gemeinsamen Kurs fänden. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke meinte: «Mit verantwortungsvoller Politik hat das Gebaren von Grün-Schwarz längst nichts mehr zu tun.» (DPA/LSW)