BGH: Bausparkassen dürfen gut verzinste Altverträge kündigen

Ein Hinweisschild mit dem Bundesadler vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Foto: Uli Deck
Ein Hinweisschild mit dem Bundesadler vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Foto: Uli Deck

Für viele Bausparer ist es ein enttäuschendes Urteil: Die Bausparkassen sind im Recht, wenn sie ältere Verträge mit hohen Zinszusagen massenhaft kündigen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Grundsatz-Entscheidung klargestellt.

Das Karlsruher Urteil betrifft alle Verträge, in die der Bausparer schon so viel eingezahlt hat, dass er für den Kauf einer Immobilie oder eine Renovierung das Darlehen in Anspruch nehmen könnte.

Ist diese sogenannten Zuteilungsreife bereits seit zehn oder mehr Jahren erreicht und der Kunde spart immer noch weiter, darf die Kasse «im Regelfall» kündigen, entschied jetzt der BGH. (Az. XI ZR 185/16 u.a.)

 

Seit 2015 haben die Bausparkassen bereits schätzungsweise 250 000 solcher Verträge gekündigt, die noch nicht vollständig bespart waren. Denn in der anhaltenden Niedrigzinsphase verzichten viele Bausparer darauf, sich ihr Darlehen auszahlen zu lassen. Stattdessen lassen sie den Vertrag mit oft drei oder vier Prozent Zinsen lieber als lukrative Sparanlage so lange wie möglich laufen - für die Institute eine wirtschaftliche Belastung, die sie loswerden wollen.

 

Die BGH-Entscheidung dürfte nun neue Kündigungen nach sich ziehen. Zu Jahresanfang war für 2017 mit geschätzt 60 000 weiteren gerechnet worden. Die erste große Kündigungswelle hat die Bausparer aber längst getroffen - und mit dem Urteil steht nun fest, dass diese Kündigungen rechtmäßig waren und wirksam bleiben. Vor Gericht dürften Verbraucher also nur noch im absoluten Ausnahmefall eine Chance haben.

 

Verhandelt hatten die Richter die Fälle zweier Bausparerinnen, denen Wüstenrot langjährige Verträge gekündigt hatte. Insgesamt sind beim BGH derzeit mehr als 100 Bauspar-Verfahren anhängig. Denn in den Vorinstanzen hatten sich einige Gerichte wie das Oberlandesgericht Stuttgart auch auf die Seite der Bausparer gestellt. Mit der Entscheidung in letzter Instanz ist die künftige Linie aber klar.

 

Verbraucherschützer werteten das Urteil als schweren Rückschlag. Der Bankenexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg warf den Instituten vor, Kunden früher auch mit der Aussicht auf lukrative Zinsen zum Abschluss gelockt zu haben. «Jetzt wollen die Kunden die gute Geldanlage und der Wind hat sich gedreht», kritisierte er in Karlsruhe. Auch der BGH-Anwalt der Bausparer, Peter Wassermann, hatte argumentiert, dass die Niedrigzinsphase nicht zulasten der Kunden gehen dürfe - am Ende vergeblich.

 

Der Senat begründete sein Urteil damit, dass das Ansparen dazu gedacht sei, Anspruch auf ein Darlehen zu erlangen. Dieser Zweck sei mit Zuteilungsreife erreicht. Deshalb können sich die Bausparkassen auf einen Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 489 BGB) berufen, der ihnen zehn Jahre später ein Kündigungsrecht zugesteht.

 

Die Bausparkassen reagierten erleichtert. «Das ist eine gute Nachricht für die Bauspargemeinschaft als Ganzes, die weiterhin auf die Stabilität dieses Systems vertrauen darf», sagte ein Sprecher des Verbandes der Privaten Bausparkassen. Wüstenrot teilte mit, man sei von der Rechtmäßigkeit der Kündigungen stets überzeugt gewesen. «Mit den Kündigungen können die negativen Auswirkungen der fortdauernden Niedrigzinspolitik auf die Bausparergemeinschaft abgefedert werden.»

 

Wegen der seit Jahren extrem niedrigen Zinsen finden Sparer kaum mehr rentable Anlageformen. Gleichzeitig sind Baukredite zu günstigen Konditionen leicht zu bekommen. Das höhlt das klassische Bauspar-Modell aus. Denn auf dessen Hauptvorteil, ein sicheres Darlehen zu verlässlichen Konditionen, ist kaum jemand angewiesen. Den Bausparkassen fällt außerdem auf die Füße, dass sie die Zinsen in der Sparphase vor Jahren auf nahezu unbegrenzte Zeit festgeschrieben haben. Heute gibt es solche Zinssätze so gut wie nirgendwo mehr. (DPA)