Abgeordnete stoppen umstrittene Altersversorgung

SPD-Fraktionsvorsitzender Andreas Stoch spricht zu Journalisten. Foto: Lino Mirgeler
SPD-Fraktionsvorsitzender Andreas Stoch spricht zu Journalisten. Foto: Lino Mirgeler

Nach massiver Kritik haben die Landtagsfraktionen von Grünen, CDU und SPD ihre bereits beschlossene Neuregelung der Abgeordnetenpension ausgesetzt. Unabhängige Experten sollen die neue Wahlmöglichkeit für die Parlamentarier zwischen einer privaten Altersvorsorge und einer lukrativeren Staatspension auf den Prüfstand stellen, hieß es am Rande der Sitzungen von Grünen, CDU und SPD am Dienstag im Landtag. Nach den Worten von Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz wird der Beschluss nicht wie geplant im Mai in Kraft treten.

Mit einem Ergebnis der Sachverständigenkommission sei vor Ende des Jahres nicht zu rechnen, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch.

 

Die Alternative für Deutschland (AfD) sah sich bestätigt in ihrer Ablehnung des Landtagsbeschlusses der vergangenen Woche: «SPD und Regierungskoalition haben sich gehörig die Finger verbrannt und wollen das heiße Eisen schnell vom Tisch haben», meinte AfD-Fraktionsvize Emil Sänze. Die etablierten Parteien hätten instinktlos gehandelt, kritisierte er.

Der SWR hatte zuerst darüber berichtet, dass die Fraktionen ihren Landtagsbeschluss kippen. Der Landtag hatte im Eiltempo die umstrittenen finanziellen Neuregelungen für Abgeordnete beschlossen. Die Öffentlichkeit reagierte entsetzt. Verbände, Gewerkschaften, Bürger, aber auch eigene Parteimitglieder sowie Experten lehnten die geänderten Versorgungsregeln ab.

Der Steuerzahlerbund sprach von einer «Luxus-Altersversorgung» und kritisierte das Gesetzgebungsverfahren, da es weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vonstatten ging. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kann die Kritik nachvollziehen. Über die Empörung in der Öffentlichkeit sagte er am Dienstag: «Natürlich kann ich das verstehen.» Es gebe ein Bedürfnis, dieses Thema offen und transparent zu diskutieren.

 

Nach einer 2008 beschlossenen und 2011 in Kraft getretenen Regelung müssen Abgeordnete sich bislang selbst um ihre Altersvorsorge kümmern. Dafür können sie eine Pauschale in Anspruch nehmen. Vor allem junge Abgeordnete sehen sich aber deutlich benachteiligt. Sie pochten darauf, die früher geltende staatliche Versorgung wieder zu ermöglichen. Die AfD und die FDP hatten den Beschluss im Landtag abgelehnt.

 

Aber auch aus den Parteien, deren Abgeordnete die Neuregelung beschlossen hatten, kam rasch Kritik. «Die jetzigen Änderungen überraschen schon. Ich hätte das so nicht gemacht», meinte etwa SPD-Landeschefin Leni Breymaier. Sie begrüßte nun die Kehrtwende. «Ich freue mich, dass die Parlamentarier die Souveränität haben, Kritik aufzunehmen und die getroffene Entscheidung einem unabhängigen Gremium zur Bewertung vorzulegen», teilte sie mit. «Das ist ein guter Tag für die Demokratie.»

 

Auch der Bund der Steuerzahler lobte den Schritt als vernünftige Entscheidung. Der Verein hatte einen Volksantrag erwogen, um gegen das «Hau-Ruck-Verfahren» der Abgeordneten vorzugehen. Der Verband warnte noch einmal mit Nachdruck davor, einen Weg von der Eigenversorgung hin zur Staatspension zu gehen. Das sei ein falscher und rückwärtsgewandter Systemwechsel.

 

Der Landtag hatte die Rückkehroption zur staatlichen Pension wohl in der Hoffnung beschlossen, dass die öffentliche Diskussion über das heikle Thema schnell wieder abebbt. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hatte gefordert, dass die Abgeordneten wie normale Bürger zur privaten Altersvorsorge herangezogen werden müssten. Der AfD-Politiker Rainer Podeswa hatte die Pläne als eine «bürgerverachtende Unverfrorenheit» bezeichnet, die einen fassungslos mache. «Das ist eine Schande für Baden-Württemberg.» (DPA/LSW)