Unter Mindestlohn: Mehr Kontrollen bei Minijobs gefordert

Knapp die Hälfte der geringfügig Beschäftigten bekamen laut Studie 2015 weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde. Foto: Jens Büttner/Archiv
Knapp die Hälfte der geringfügig Beschäftigten bekamen laut Studie 2015 weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde. Foto: Jens Büttner/Archiv

Vielen Minijobbern in Deutschland wurde der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn im Jahr der Einführung vorenthalten. Einer Studie zufolge bekamen 2015 knapp die Hälfte dieser geringfügig Beschäftigten weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde, die Arbeitgeber damals mindestens zahlen mussten. Jeder Fünfte erhielt nicht einmal 5,50 Euro, ergab eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die am Montag veröffentlicht wurde. Der Mindestlohn gilt seit Januar 2015. Inzwischen wurde er auf 8,84 Euro erhöht.

 

Über die Studie hatte zuerst die «Süddeutsche Zeitung» berichtet. Es habe offensichtlich «zahlreiche Verstöße von Arbeitgebern» gegeben, heißt es darin. Im Ergebnis habe sich die Lohnsituation für Minijobber nur «partiell verbessert»: 2014 vor dem Mindestlohn hätten etwa 60 Prozent der erfassten Minijobber weniger als 8,50 Euro verdient, 2015 nach der Rechtsänderung sank der Anteil nur leicht auf etwa die Hälfte.

 

Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums sagte, Befragungen wie die des WSI seien «immer mit Unschärfen und Messungenauigkeiten verbunden». Die Angaben der Befragten zu ihren Arbeitszeiten seien nicht immer präzise. Andere Studien mit zum Teil größeren Befragtenzahlen belegten die Aussagen des WSI nicht. Das Statistische Bundesamt habe zudem ermittelt, dass gerade die Stundenlöhne von geringfügig Beschäftigten 2015 überdurchschnittlich stark gestiegen seien. Verstöße gegen das Mindestlohngesetz könnten aber nicht ausgeschlossen werden.

 

Grundlage für die WSI-Studie waren Daten von mehreren tausend Minijobbern, die die Bundesanstalt für Arbeit 2015 erhoben hatte. Neuere Zahlen liegen laut WSI noch nicht vor.

Kritiker monieren vor allem fehlende Kontrollen der sogenannten 450-Euro-Jobs, bei denen die Arbeitnehmer weder Steuern noch Sozialabgaben zahlen müssen. Da die Verdienstobergrenze bei diesen geringfügigen Arbeitsverhältnissen festgelegt ist, kann eine Erhöhung des Stundenlohns nur über eine Verringerung der Arbeitszeit erfolgen.

 

«Es rächt sich, dass die Bundesregierung die Kontrollen des Mindestlohns sträflich vernachlässigt hat», befand Brigitte Pothmer, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik bei den Grünen. «Durch diese krummen Touren gerät das Erfolgsprojekt Mindestlohn in Misskredit.» Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) habe sich «zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht».

 

Auch Linken-Parteichef Bernd Riexinger ging die Arbeitsministerin an: «Wo sind die versprochenen Kontrollen, Frau Nahles? Hälfte der Minijobber wird der sowieso zu niedrige Mindestlohn vorenthalten!», schrieb er auf Twitter.

 

Die SPD-Arbeitsmarktpolitikerin Katja Mast betonte: «Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn wirkt - das zeigen alle Zahlen. Gegen gesetzeswidrige Arbeitsverhältnisse hilft nur der Rechtsstaat - Kontrollen, Klagen und Strafen.»

 

Das Bundesfinanzministerium verwies darauf, dass der für die Mindestlohnkontrollen zuständige Teil der Zollverwaltung personell deutlich verstärkt werde. Insgesamt seien 1600 neue Stellen vorgesehen, die seit 2015 über einen Zeitraum von fünf Jahren nach und nach besetzt würden.

 

Ein Sprecher der Minijob-Zentrale appellierte an die Arbeitgeber, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten: «Mindestlohn, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld gelten auch für Minijobber», sagte er. Auch die Arbeitnehmer sollten sich besser über ihre Rechte informieren. (DPA)