Zu unbedeutend: Verfassungsgericht lehnt NPD-Verbot ab

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verkündet das Urteil im NPD-Verbotsverfahren. Foto: Uli Deck
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verkündet das Urteil im NPD-Verbotsverfahren. Foto: Uli Deck

Zum zweiten Mal nach 2003 sind die Länder in Karlsruhe mit einem Verbotsantrag gegen die rechtsextreme NPD gescheitert. Die Partei sei verfassungsfeindlich - aber zu schwach und unbedeutend, um sie aufzulösen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Richter wiesen den Antrag des Bundesrats als unbegründet ab und zogen damit einen Schlussstrich unter die jahrelangen politischen Bestrebungen für ein NPD-Verbot. (Az. 2 BvB 1/13)

 

Die Länder kündigten an, die NPD weiter mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen und auch durch den Verfassungsschutz zu beobachten. Dies halte er «weiter für geboten», sagte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Zudem wird überlegt, die NPD nun von der staatlichen Parteienfinanzierung abzuschneiden.

 

In seinem ersten Urteil zu einem Parteiverbot seit mehr als sechs Jahrzehnten setzte das oberste Gericht neue Maßstäbe für künftige Verfahren. Der Zweite Senat stellte den Rechtsextremen keinen Persilschein aus. «Das politische Konzept der NPD ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet», hieß es. Die Idee der deutschen «Volksgemeinschaft», die Menschen anderer Religion oder mit ausländischen Wurzeln ausgrenze, verletze die Menschenwürde. Dies und die antisemitische Grundhaltung lasse «deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen».

 

Ein erstes Verfahren war vor 14 Jahren geplatzt, weil ans Licht kam, dass die Partei bis in die Spitze mit Informanten des Verfassungsschutzes (V-Leuten) durchsetzt war. Bundesregierung und Bundestag, die das Verbot damals mitbeantragt hatten, schlossen sich daher diesmal dem Bundesrat nicht an.

 

Die Reaktionen schwankten am Dienstag zwischen Enttäuschung, Genugtuung und Respekt vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. So erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD): «Das Gericht hat die Grenzen für ein Parteiverbot klar gezogen und auch sehr deutlich gemacht: Das politische Konzept der NPD missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar.»

 

In seinem knapp 300-seitigen Urteil stellte der Senat zwar einstimmig fest, dass die NPD wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus sei. «Es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt», sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Verkündung. «Das Ergebnis des Verfahrens mag der eine oder andere als irritierend empfinden», räumte er ein. Ein Parteiverbot sei jedoch «kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsgebot».

 

Voßkuhle wies ausdrücklich auf «andere Reaktionsmöglichkeiten» hin - etwa den Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung. Dies habe aber nicht das Verfassungsgericht zu entscheiden, sondern der verfassungsändernde Gesetzgeber.

 

Dies griff unter anderem Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) umgehend auf: «Wir können niemandem erklären, dass eine verfassungsfeindliche Partei aus Steuermitteln finanziert wird.» Auch Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) plädierte dafür, die NPD über die Parteienfinanzierung zu treffen: «Es kann nicht sein, dass der Staat Parteien finanzieren muss, die ihn offensiv bekämpfen.» Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte aber vor Schnellschüssen: «Da muss zunächst einmal geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen das möglich ist.»

 

Sollte die NPD in der Zukunft erstarken, bleibt es der Politik außerdem unbenommen, erneut ein Parteiverbot zu beantragen. Einzig das Bundesverfassungsgericht kann eine solche Sanktion dann aussprechen. Geschehen ist das erst zwei Mal: 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten, 1956 traf es die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

 

Die 1964 gegründete NPD hat bundesweit nur noch etwa 5200 Mitglieder. Ihre Hochburgen liegen in Ostdeutschland, insbesondere in Sachsen. Im September 2016 verloren die Rechtsextremen in Mecklenburg-Vorpommern ihre letzten Landtagsmandate. Seither ist die NPD nur auf kommunaler Ebene und mit einem Abgeordneten im Europaparlament vertreten. Die Karlsruher Richter halten es derzeit für ausgeschlossen, dass die NPD durch Wahlen, ihre «Kümmerer-Strategie» vor Ort oder durch Druck und ein Klima der Angst ihre Ziele erreicht.

Eine Grundtendenz, dafür mit Gewalt oder Straftaten zu kämpfen, stellten die Richter nicht fest.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Länder, Markus Ulbig (CDU), sagte, zwar erfülle die NPD die Voraussetzungen eines Verbots derzeit nicht. «Sie bleibt aber eine rechtsextremistische, verfassungsfeindliche Partei und sie wird als solche weiter von den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern beobachtet werden.» Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte das Urteil «eine deutliche Warnung an alle Rädelsführer» der NPD. «Es soll sich da keiner zu sicher fühlen.»

 

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bedauerte das Urteil: «Für die jüdische Gemeinschaft und andere Minderheiten sowie all jene, die nicht in das Weltbild dieser Partei passen, wäre ein Verbot sehr wichtig und ermutigend gewesen.» Angesichts der Erfolge rechtspopulistischer Parteien stelle sich die Frage, «wie weit es kommen muss, bis eine Partei verboten wird». Das Internationale Auschwitz Komitee sprach von einer «empörenden und erschreckend realitätsfernen Entscheidung» der Karlsruher Richter.

 

Die Rechtsextremisten äußerten derweil Genugtuung. NPD-Chef Frank Franz: «Der Bundesrat ist gescheitert, und darüber sind wir natürlich sehr glücklich.» Die Bundespartei schrieb zudem unmittelbar nach der Urteilsverkündung auf Facebook: «Der konsequente Einsatz für Volk und Vaterland kann weitergehen!». (DPA)