Berlin nach Lkw-Todesfahrt unter Schock

Der an der Vorderseite stark demolierte Lastwagen kam am Rande der Budapester Straße zum Stehen. Foto: Arcangelo Nashmi
Der an der Vorderseite stark demolierte Lastwagen kam am Rande der Budapester Straße zum Stehen. Foto: Arcangelo Nashmi

Nach der Todesfahrt eines Lkw auf einem Berliner Weihnachtsmarkt deutet vieles auf einen Terroranschlag hin. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: «Ich möchte im Moment noch nicht das Wort Anschlag in den Mund nehmen, obwohl viel dafür spricht.»

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärte: «Nach allem, was wir wissen, müssen wir von einem Terroranschlag ausgehen.»

 

 

Bei der Tat im Herzen Berlins raste am Montagabend ein Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche und tötete mindestens zwölf Menschen. Weitere 48 Menschen lagen am Morgen zum Teil schwer verletzt in Krankenhäusern.

 

Der mutmaßliche Fahrer des Lkw, der auf der Flucht vom Tatort festgenommen worden war, könnte Pakistaner oder Afghane sein, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr. Er sei wohl im Februar als Flüchtling eingereist. Letzte Gewissheit gab es zunächst nicht, da der Mann unterschiedliche Namen verwendet habe. Der für den Staatsschutz zuständige Generalbundesanwalt in Karlsruhe übernahm die Ermittlungen.

 

Der dunkle Lastwagen mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20.00 Uhr auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern über den Markt und zerstörte dabei mehrere Buden.

 

Ein weiterer Mann, der auf dem Beifahrersitz saß, starb laut Polizei vor Ort. Er war Pole.

Der Lastwagen gehörte einer polnischen Spedition, wie deren Eigentümer Ariel Zurawski dem polnischen Sender TVN 24 sagte. Der Fahrer, sein Cousin, sei seit etwa 16.00 Uhr am Montag nicht mehr zu erreichen gewesen. Für ihn könne er die Hand ins Feuer legen, dass er kein Attentäter sei. «Ihm muss etwas angetan worden sein», mutmaßte er.

 

Der Lastwagen hatte Stahlkonstruktionen aus Italien nach Berlin transportiert, berichtete Zurawski. Wegen einer Verzögerung habe der Fahrer bis zum Dienstag warten müssen und den Lastwagen in Berlin geparkt. Die Berliner Polizei teilte dagegen mit, es bestehe der Verdacht, dass der Sattelschlepper in Polen von einer Baustelle gestohlen worden sei.

 

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Innensenator Andreas Geisel wollten am Mittag (13.00 Uhr) auf einer Pressekonferenz die Öffentlichkeit informieren.

Der Berliner «Tagesspiegel» berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, der Verdächtige sei den Ermittlern bekannt, allerdings nicht wegen eines terroristischen Hintergrundes, sondern wegen kleinerer krimineller Delikte.

 

Nach Worten von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) war die Situation am Abend unter Kontrolle. Der Regierungschef reagierte geschockt. «Was wir hier sehen, ist dramatisch», sagte Müller auf dem Breitscheidplatz.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich bestürzt. «Wir trauern um die Toten und hoffen, dass den vielen Verletzten geholfen werden kann», teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Merkel sei mit de Maizière und Berlins Bürgermeister Müller in Kontakt.

 

Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich ebenfalls betroffen. «Das ist ein schlimmer Abend für Berlin und unser Land, der mich wie zahllose Menschen sehr bestürzt», teilte Gauck mit. Ähnlich äußerten sich Frankreichs Präsident François Hollande, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

 

Frankreich erhöhte die Sicherheitsvorkehrungen auf seinen Weihnachtsmärkten. Der designierte US-Präsident Donald Trump sprach schon von einem «schrecklichen Terrorangriff».

Die Polizei schaltete ein Portal frei, über das Augenzeugen des möglichen Anschlags in Berlin Fotos und Videos hochladen können. Zuvor hatte die Polizei gebeten, kein Bildmaterial über Soziale Medien zu verbreiten oder es per Twitter an die Behörden zu senden. Auf Handy-Fotos und -Videos könnten Hinweise zu sehen sein, die den Ermittlern bei ihrer Arbeit helfen.

 

Bei einem Anschlag im Juli in Nizza waren 86 Menschen ums Leben gekommen, als ein Terrorist mit einem Lastwagen über die Uferpromenade der Mittelmeermetropole fuhr. Für den Anschlag hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Verantwortung übernommen. (DPA)