Merkel mahnt Europäer vor Trump-Ära: «Nur gemeinsam stark»

Die Sechser-Gruppe ist im Kanzleramt zusammengekommen. Foto: Kay Nietfeld
Die Sechser-Gruppe ist im Kanzleramt zusammengekommen. Foto: Kay Nietfeld

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt angesichts der großen Ungewissheit über den Kurs des künftigen US-Präsidenten Donald Trump auf eine besonders enge europäische Zusammenarbeit. «Ein Mensch alleine kann niemals alles lösen, sondern wir sind nur gemeinsam stark», sagte sie bei einer Pressekonferenz mit Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Dies sei auch bei einem Gespräch mit dem scheidenden US-Präsidenten Barack Obama und vier anderen europäischen Staats- und Regierungschefs deutlich geworden.

 

Obama hatte am Donnerstagabend nach einem Gespräch mit Merkel die große Verantwortung der Kanzlerin für das westliche Werte- und Sicherheitsbündnis betont. Sie sei zäh und stark genug, diese Rolle auszufüllen. Merkel sagte am Freitag, sie wolle tun, «was meine Aufgabe ist als deutsche Bundeskanzlerin. Nämlich einerseits meinen Dienst für die Menschen in Deutschland zu tun. Aber das schließt für mich ein, auch für den Zusammenhalt Europas und für den Erfolg Europas zu arbeiten.»

 

Die britische Premierministerin Theresa May versicherte vor einem Gespräch mit Merkel am Nachmittag, trotz bevorstehenden EU-Austritts setze ihr Land auf eine enge Kooperation bei Herausforderungen wie dem Kampf gegen den Terror, Syrien-Konflikt und Flüchtlingskrise. «Das werden wir als Vereinigtes Königreich auch tun, wenn wir die Europäische Union verlassen.»

 

Ihr Amtskollege Rajoy machte deutlich, dass Spanien zu einer engeren europäischen Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik bereit sei, die aber kompatibel mit der Nato-Zugehörigkeit sein solle. Mit Blick auf Merkels Rolle sagte Rajoy, die Stabilität Deutschlands in dieser Zeit sei «wirklich sehr wichtig für ganz Europa».

 

Die Staats- und Regierungschefs aus den USA, Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien und Frankreich verständigten sich in Berlin darauf, dass der Westen an den Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise festhalten solle. Die Sanktionen müssten bestehen bleiben, bis das Minsk-Abkommen in Gänze umgesetzt sei, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses zu dem Sechser-Treffen. «So wie es jetzt aussieht, hat es noch nicht genug Fortschritte gegeben», sagte Merkel. «Bis jetzt sind die Fortschritte sehr unsichtbar.»

 

Hinsichtlich der Situation in Syrien habe es bei dem Spitzengespräch keine Diskussion über Sanktionen gegen Russland gegeben, hieß es vom Weißen Haus. Das Regime von Baschar al-Assad, Russland und der Iran müssten aber die Angriffe auf die Stadt Aleppo umgehend einstellen und den humanitären Zugang sicherstellen. Deeskalation und diplomatische Bemühungen blieben die einzige Möglichkeit, den Syrien-Konflikt zu lösen. Die Angriffe auf Ost-Aleppo hatten zuletzt nach Wochen relativer Ruhe wieder mit voller Wucht eingesetzt. Dutzende Menschen starben, mehrfach wurden Krankenhäuser von Bomben des syrischen Regimes und seiner Verbündeten getroffen.

 

Merkel, Obama, May, Rajoy, Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi berieten im Kanzleramt auch über die Folgen des Machtwechsels in Washington. In Europa und in den USA herrscht nach der Wahl Trumps zum künftigen US-Präsidenten Sorge über die Zukunft internationaler Verabredungen, etwa des Pariser Klimaabkommens oder des Atomdeals mit dem Iran.

 

Obama hatte in Berlin in Abgrenzung zu Trumps Wahlkampf-Rhetorik für Nato und EU geworben. «Wenn wir kein starkes transatlantisches Bündnis haben, werden wir unseren Kindern eine schlechtere Welt hinterlassen.» Merkel versicherte am Donnerstag, sie strebe eine enge Kooperation mit Obamas Nachfolger an. Die Beziehungen Deutschlands und Europas zu den USA seien ein «Grundpfeiler unserer Außenpolitik».

 

Aus Sicht des Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, ist ein US-Präsident Trump auch eine Chance. «Wir müssen uns darauf einstellen, dass Europa sicherheitspolitisch endlich erwachsen wird», sagte er am Freitag im RBB-Inforadio. «Wir haben uns über ein halbes Jahrhundert gemütlich eingerichtet darin, dass - wenn es irgendwie kracht und knallt und schwierig wird -, dass dann immer die USA da sind, um die Westeuropäer zu schützen.» (DPA)