Chemie-Nobelpreis 2016 für winzigste Maschinen der Welt

Mitglieder der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften präsentieren die diesjährigen Gewinner des Chemie-Nobelpreises Jean-Pierre Sauvage (l-r auf Leinwand), J. Fraser Stoddart und Bernard L. Feringa. Foto: Henrik Montgomery
Mitglieder der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften präsentieren die diesjährigen Gewinner des Chemie-Nobelpreises Jean-Pierre Sauvage (l-r auf Leinwand), J. Fraser Stoddart und Bernard L. Feringa. Foto: Henrik Montgomery

Für die Entwicklung der kleinsten Maschinen der Welt erhalten drei Molekülforscher dieses Jahr den Nobelpreis für Chemie.

Jean-Pierre Sauvage, James Fraser Stoddart und Bernard Feringa haben aus nur wenigen Molekülen unter anderem eine Art Lift, künstliche Muskeln und ein Mini-Auto hergestellt. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm mit. Solche Maschinen könnten demnach künftig für neue Materialien, Sensoren und Energiespeicher verwendet werden.

 

 

Die Preisträger seien in eine neue Dimension der Chemie vorgedrungen, hieß es von den Juroren. «Sie haben Moleküle entwickelt, deren Bewegungen man kontrollieren kann und die eine Aufgabe erfüllen, wenn sie die dafür nötige Energie bekommen.» Die künstlichen molekularen Maschinen seien über tausendmal kleiner als der Durchmesser eines Haares.

Immer wieder bauten die Forscher mit ihren Arbeiten aufeinander auf: Den ersten Schritt machte der 1944 geborene Franzose Sauvage (Universität Straßburg) im Jahr 1983: Er baute aus Molekülen zwei Ringe, die wie Kettenglieder zusammenhängen und sich wie diese locker bewegen können.

 

Der gebürtige Brite Stoddart (74, Northwestern University in Evanston, USA) entwickelte seit den 1990er Jahren molekulare Achsen und zugehörige Ringe, die darauf auf- und absteigen können - sogenannte Rotaxane. Auf dieser Grundlage schufen er und sein Team winzige Aufzüge und künstliche Muskeln. Die Rotaxane nutzte Stoddart zudem, um Computerchips zu bauen, die zwar nur 20 Kilobyte speichern können, dafür aber viel kleiner sind als herkömmliche Chips. Einige Forscher glauben, dass diese Chips die Computerwelt einmal so revolutionieren könnten wie es einst die Transistoren taten.

 

Der Niederländer Feringa (65) von der Universität Groningen baute als erster einen molekularen Motor, der sich kontinuierlich in eine Richtung drehte. 2011 folgte eine Art Nano-Auto. Dazu montierten er und sein Team die Motoren als Antriebsräder an einen zentralen Träger. Das Fahrzeug sei nur rund einen Milliardstel Meter (Nanometer) lang, schrieben die Forscher im Fachblatt «Nature». Es werde über die Spitze eines Rastertunnelmikroskops mit Strom versorgt und mit kurzen Spannungspulsen in Bewegung versetzt. Mit zehn Impulsen sei das Auto etwa sechs Nanometer weit über eine Kupferoberfläche gefahren.

 

«Die drei Nobelpreisträger haben dieses ganze Feld von molekularen Maschinen eröffnet», sagte Nobel-Juror Olof Ramström. Damit habe eine «Revolution» begonnen. «Die Entwicklungsstufe hier ist ähnlich der zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als viele Forscher zeigten, dass elektrische Maschinen möglich sein könnten. Die Zukunft wird zeigen, wie wir das hier anwenden können.»

 

Bis zu alltäglichen Anwendungen sei es noch ein weiter Weg, betonte Christoph Schalley von der Freien Universität Berlin. Er verwies darauf, dass es in der Natur Vorbilder dafür gebe. «Im Prinzip kann man vielleicht den Geißel-Antrieb wie bei einem Bakterium realisieren.» Denkbar sei auch ein Mini-Schalter. «Dann hätte man ein soweit es nur irgend geht miniaturisiertes elektronisches Bauteil.»

 

Die drei Forscher verstehen sich sehr gut. Als das Nobel-Komitee Feringa anrief, habe dieser zunächst gestockt, sagte Nobeljuror Jan-Erling Bäckvall. Feringa habe sich erst über den Preis gefreut, als er erfahren habe, dass er ihn mit Stoddart und Sauvage teilt. «Das sind so nette Leute», habe Feringa gesagt.

 

Am Dienstag war der Physik-Nobelpreis den gebürtigen Briten David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz für die Beschreibung exotischer Materiezustände zuerkannt worden. Am Montag war der Japaner Yoshinori Ohsumi als diesjähriger Medizin-Nobelpreisträger gekürt worden. Er hatte ein lebenswichtiges Recycling-System in Körperzellen entschlüsselt.

 

Die höchste Auszeichnung für Chemiker ist mit umgerechnet rund 830 000 Euro (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. (DPA)