Alt-Bundespräsident Scheel ist gestorben

Altbundespräsident Walter Scheel. Foto: Patrick Seeger/Archiv
Altbundespräsident Walter Scheel. Foto: Patrick Seeger/Archiv

Einer der Väter der deutschen Wieder-vereinigung, der frühere Außenminister und Bundespräsident Walter Scheel, ist tot. Er starb am Mittwoch mit 97 Jahren, wie das Bundespräsidialamt am Nachmittag in Berlin mitteilte. Scheel hatte in den vergangenen Jahren in einem Pflegeheim bei Freiburg gelebt. Gesundheitlich angeschlagen und unter Demenz leidend, zeigte er sich nur noch selten in der Öffentlichkeit. Der Politiker führte die Liberalen von 1968 bis 1974 auch als Parteichef.

Von 1969 bis 1974 war er Außenminister und Vizekanzler in der SPD/FDP-Koalition von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). An dessen Seite setzte Scheel schließlich die umstrittenen Ostverträge durch und vollzog eine Neuausrichtung der deutschen Politik. Von 1974 bis 1979 amtierte Scheel als Bundespräsident und war damit viertes Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Populär wurde er auch als singender Präsident («Hoch auf dem gelben Wagen»).

 

Bundespräsident Joachim Gauck ordnete zum Gedenken an Scheel einen Staatsakt an und würdigte die Ost- und Europapolitik seines Vorgängers. «In seinen öffentlichen Ämtern, ganz besonders als Bundespräsident, hat Ihr Mann Großes geleistet», schrieb Gauck nach Angaben des Präsidialamtes am Mittwoch an Scheels Witwe Barbara. «Die Einigung Europas voranzutreiben, lag ihm besonders am Herzen.» Für Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) war Scheel «ein Menschenfreund, ein glänzender Redner, weltgewandt, optimistisch, humorvoll und volksnah. Unser Land, um das er sich höchste Verdienste erworben hat, ist ihm zu großem Dank verpflichtet.»

 

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war Scheel «ein überaus populärer Bundespräsident, der viele Menschen beeindruckt hat». Er sei zudem ein «erfolgreicher Außenminister über eine lange Zeit» gewesen. Der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte, die Versöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern habe Scheel als politische Notwendigkeit für den Friedenserhalt in Europa angesehen, sie sei ihm auch dringendes persönliches Anliegen gewesen. «Mit glänzender Rhetorik und großer Leidenschaft für die Sache setzte er sich immer wieder für diese Ziele ein.»

 

FDP-Chef Christian Lindner erklärte: «Die Freien Demokraten trauern um einen großen Liberalen. Walter Scheel hat als Parteivorsitzender, als erster Entwicklungsminister, als Außenminister und Vizekanzler sowie als Bundespräsident Spuren hinterlassen. Er hatte den Mut, mit Willy Brandt eine sozialliberale Koalition zu begründen, die durch die neue Ostpolitik und mehr gesellschaftliche Liberalität ein neues Kapitel für Deutschland aufgeschlagen hat.» Die FDP hat zuvor mit dem Tod der früheren Außenminister Guido Westerwelle und Hans-Dietrich Genscher dieses Jahr schon zwei ihrer prominentesten Köpfe verloren.

 

Einer der Amtsnachfolger im Auswärtigen Amt, Frank-Walter Steinmeier (SPD), nannte Scheel «eine große Figur der Politik der ersten Jahrzehnte der jungen Bundesrepublik Deutschland». Der FDP-Mann habe «die Außenpolitik unseres Landes in schwierigen Zeiten, mit einem Eisernen Vorhang mitten durch das geteilte Deutschland, ganz maßgeblich geprägt».

 

Scheel wurde am 8. Juli 1919 in Solingen als Sohn eines Stellmachers geboren. 1946 trat er in die FDP ein. Der gelernte Bankkaufmann und Wirtschaftsberater war fast 25 Jahre lang Abgeordneter. Er amtierte als Bundesminister unter den CDU-Kanzlern Konrad Adenauer und Ludwig Erhard sowie später unter Brandt. Unter Adenauer war Scheel erster Entwicklungshilfeminister der Republik.

 

Nach seinem 95. Geburtstag vor zwei Jahren hatte Scheel seinen letzten großen öffentlichen Auftritt, um im badischen Bad Krozingen Glückwünsche entgegenzunehmen. Bereits damals überschatteten aber Querelen um die Pflege und den Gesundheitszustand des Demenzkranken die festliche Stimmung. Der Grund: Seine dritte Frau Barbara lag im juristischen Streit mit Scheels Pflegeheim. (DPA)