CDU-Vize: «Türkei entfernt sich immer weiter von Europa»

Der türkische Präsident Erdogan hat seit dem Putschversuch etwa 26 000 Menschen festnehmen lassen. Foto: Turkish Presidental Press Office
Der türkische Präsident Erdogan hat seit dem Putschversuch etwa 26 000 Menschen festnehmen lassen. Foto: Turkish Presidental Press Office

Die Massenverhaftungen mutmaßlicher Putschisten in der Türkei und die scharfe anti-westliche Polemik der islamisch-konservativen Regierung lösen in der CDU tiefe Besorgnis aus. Der stellvertretende Parteichef Thomas Strobl sagte der «Passauer Neuen Presse»: «Die gesamte Entwicklung in der Türkei besorgt mich - sowohl der Putschversuch als auch die maßlosen Gegenreaktionen. Die Türkei entfernt sich gerade immer weiter von Europa.»

Es sei nicht überraschend, dass deshalb Menschen aus der Türkei nach Europa kommen wollten. Gemeint sind neue Statistiken, wonach mehr Türken Asylanträge in Deutschland stellen.

 

Ablehnend äußerte sich Strobl, zugleich Innenminister von Baden-Württemberg, zu Forderungen der österreichischen Regierung, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara abzubrechen. Dies sei falsch, denn ein Stopp würde die Spannungen weiter anheizen und hätte Sprachlosigkeit zur Folge. Aber wenn die Türkei etwa wieder die Todesstrafe einführe, müsse Europa sagen: «Stopp, das geht nicht, damit wird eine rote Linie überschritten. Unter diesen Bedingungen hat es überhaupt keinen Sinn, über einen EU-Beitritt auch nur zu sprechen.»

 

In der Türkei nahmen die Sicherheitsbehörden bei der Fahndung nach mutmaßlichen Putschisten und Verschwörern erstmals auch eine deutsche Staatsbürgerin fest. Der Fall sei dem Auswärtigen Amt bekannt, sagte ein Sprecher auf Anfrage in Berlin. Er bestätigte damit Informationen von WDR, NDR und «Süddeutscher Zeitung» aus Regierungskreisen. Anlass für die Festnahme sei der Verdacht auf Zugehörigkeit zur Bewegung des Predigers Fetullah Gülen, den die türkische Regierung hinter dem Mitte Juli gescheiterten Umsturzversuch vermutet.

 

Die deutsche Botschaft in Ankara bemüht sich dem Bericht zufolge seit Tagen vergeblich um Kontakt zu der Frau. Laut NDR, WDR und «SZ» war zunächst unklar, warum sich die Frau in der Türkei aufhielt und ob sie dort lebt. Ebenso wenig sei bekannt, ob sie neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt.

 

Von den Verhaftungen waren bislang vor allem Staatsbedienstete betroffen. Nach Regierungsangaben wurden seit dem Putschversuch zudem fast 59 000 von ihnen suspendiert. Insgesamt wurden etwa 26 000 Menschen festgenommen, gegen 13 000 Verdächtige erging Haftbefehl.

 

Die türkische Regierung hatte Österreich «radikalen Rassismus» vorgeworfen, weil Kanzler Kern die Beitrittsverhandlungen stoppen will. Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf überdies deutschen Medien vor, fremdgesteuert gegen die Türkei und ihren Präsidenten Stimmung zu machen.

 

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt rief Bundeskanzlerin Angela Merkel dennoch auf, das direkte Gespräch mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zu suchen - wie auch mit der Opposition und Zivilgesellschaft. «Wir sollten die Brücken zu den Menschen in der Türkei nicht abbrechen - die Türkei ist nicht Erdogan», sagte sie der «Rheinischen Post». Zugleich räumte sie ein, dass die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei «zweifelsohne einen neuen Tiefpunkt» erreicht hätten. Wenn Erdogan rechtsstaatliche und menschenrechtliche Prinzipien außer Kraft setze, sei es richtig, die Verhandlungen auf Eis zu legen. (DPA)