Mindestlohn steigt auf 8,84 Euro

Arbeit im Niedriglohnsektor: Ein Zimmermädchen bereitet ein Zimmer vor. Foto: Jan-Philipp Strobel/Archiv
Arbeit im Niedriglohnsektor: Ein Zimmermädchen bereitet ein Zimmer vor. Foto: Jan-Philipp Strobel/Archiv

Berlin (dpa) - Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland wird erstmals angehoben - von 8,50 auf 8,84 Euro je Stunde. Die Mindestlohnkommission beschloss in Berlin die Steigerung um 34 Cent zu Beginn des kommenden Jahres. Das Gremium von Arbeitgebern und Arbeitnehmern begründete die einstimmige Entscheidung mit der gesetzlichen Vorgabe, die Entwicklung der Tariflöhnen nachzu-vollziehen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kündigte an, die Regierung werde den Beschluss als Rechtsverordnung umsetzen.

Die Reaktionen fielen gemischt aus.

 

Die Kommission orientierte sich am Tarifindex, wie ihr Vorsitzender Jan Zilius erläuterte. In diesen amtlich ermittelten Wert gehen 500 Tarifverträge ein. Hinzu zählte die Kommission auch den bereits gültigen Abschluss für den öffentlichen Dienst, dessen Erhöhungen aber noch nicht ausgezahlt werden. So ergibt sich ein Lohnplus von 4 Prozent.

 

Die Gewerkschaften scheiterten mit der Forderung, ebenso den jüngsten Tarifabschluss für die Metall- und Elektrobranche zu berücksichtigen. Dann hätte der künftige Mindestlohn bei 8,87 Euro gelegen. Auch eine Aufrundung hatten Gewerkschaften verlangt.

 

DGB-Vorstandsmitglied und Kommissionsmitglied Stefan Körzell sagte: «Aus unserer Sicht ist das Glas etwas voller als halbleer.» Auch Reinhard Göhner, der für die Arbeitgeber in dem Gremium sitzt, zeigte sich zufrieden. Trotz Problemen in einzigen Branchen habe der Mindestlohn keine «Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt» erkennen lassen. Die Erhöhung erfolge strikt nach den Vorgaben an die Kommission.

 

Körzell sprach von einem «tragfähigen Beschluss, der auch so zu vertreten ist». Der Mindestlohn bleibe die «Anstandsgrenze nach unten». Die Erhöhung werde den Konsum und die Nachfrage stärken.

 

«Der Mindestlohn wirkt und er funktioniert», sagte Nahles. Das zeige der Kommissionsbericht zur Auswertung der Lohngrenze. Die Kommission, die frei von politischer Einflussnahme entscheiden soll, legt die Höhe nun alle zwei Jahre neu fest. Der Mindestlohn gilt für alle volljährigen Arbeitnehmer, außer für Langzeitarbeitslose nach einer Arbeitsaufnahme in den ersten sechs Monaten. Auch für Azubis, Menschen mit Pflichtpraktikum oder Praktikum unter drei Monaten gilt er nicht.

 

Verdi-Chef Frank Bsirske bedauerte, dass der Mindestlohn in den nächsten zwei Jahren die Neun-Euro-Marke nicht erreicht. Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Ernst Fischer, kritisierte den Beschluss dagegen als «Fortsetzung der Eingriffe in die Tarifautonomie». Der Handelsverband Deutschland sprach von einem «ökonomischen Experiment mit ungewissem Ausgang».

 

Linken-Chef Bernd Riexinger kritisierte die Entscheidung als «schlechten Witz». Der Mindestlohn reiche vielerorts nicht zum Leben. Auch die Grünen-Politikerin Brigitte Pothmer sagte, die Kommission «kann und darf mehr als sie sich derzeit zutraut».

 

Ifo-Präsident Clemens Fuest wandte ein: «Angesichts der Flüchtlingszuwanderung hätte ich es für angemessen gehalten, den Mindestlohnvorerst nicht zu erhöhen.» DIW-Präsident Marcel Fratzscher hingegen betonte, die Erhöhung werde die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt nicht ändern.

 

Der Sozialverband VdK dagegen kritisierte die Erhöhung als unzureichend. Eine angemessene Alterssicherung könne man so nicht aufbauen, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der Deutschen Presse-Agentur. (DPA)