Südwest-Politiker warnen nach Brexit vor Rechtspopulismus

Europaminister Guido Wolf (CDU). Foto: Marijan Murat/Archiv
Europaminister Guido Wolf (CDU). Foto: Marijan Murat/Archiv

Die Brexit-Entscheidung in Großbritannien hat in Baden-Württembergs Landes-regierung und im Landtag zu heftigem Kopfschütteln geführt. «Das Nein der Briten ist ein schwerer Schlag für die Staaten Europas», sagte Europaminister Guido Wolf (CDU). SPD-Fraktionschef Andreas Stoch nannte das Votum für einen Austritt aus der Europäischen Union eine «historische Fehlentscheidung».

Seine Fraktion beantragte eine Landtagsdebatte für den 30. Juni, und zwar unter dem Titel «Jetzt erst recht: Weiterbauen an Baden-Württembergs Zukunft in einer freiheitlichen und sozialen Europäischen Union».

 

Auch andere Südwest-Politiker bedauerten die Entscheidung. Das Votum der Briten ist nach den Worten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein «schwarzer Freitag für Europa». Er will an diesem Mittwoch im Landtag eine Regierungserklärung zum Brexit und den Folgen für Baden-Württemberg abgeben. Die Hauptursache sei «das Erstarken rechtspopulistischer Bewegungen, die mit hemmungsloser Demagogie vorgehen, was zu unglaublichen Polarisierungen führt», sagte der Regierungschef während seiner Schweiz-Reise am Freitag auf einer Zugfahrt von Bern nach Zürich.

 

Mit welchen Methoden rechtspopulistische Gruppierungen vorgingen und zum Beispiel die Flüchtlingsproblematik instrumentalisierten, erlebe man auch mit der AfD im Landtag in Stuttgart. Nach der Brexit-Entscheidung müssten sich alle «besonnenen demokratischen Kräfte in Europa mal ganz grundsätzlich überlegen, wie wir mit diesen rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen umgehen und was wir gegen ihr demagogisches Potenzial machen.»

 

Europaminister Wolf (CDU) plädierte für eine selbstkritische Analyse der EU und eine Debatte über Brüssels Zuständigkeiten, ein Konvent zur Zukunft der EU könnte das richtige Instrument sein. «Europa darf sich nicht um alles kümmern», sagte der Minister. Nur «die richtigen Dinge» müssten angegangen werden. Ähnlich sah es CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart, der das Brexit-Votum als «Weckruf für Reformprozesse» in der EU wertete. Für Baden-Württemberg sei das britische Nein zu Europa «überaus bedauerlich», sagte Reinhart. «Wir haben einen wichtigen europäischen Partner verloren.»

 

Auch der Vorsitzende des Europaausschusses im Landtag, Willi Stächele (CDU), mahnte Veränderungen in der EU an. «Brüssel muss sich transparenter machen und Zusammenhänge europäischer Regelungen besser erklären», sagte Stächele.

 

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte: «Der Brexit ist eine Zäsur in der Geschichte der europäischen Integration.» Für die Grünen sei die EU ein Zukunftsmodell. Baden-Württemberg sei mit ihr stark vernetzt: «Unseren hohen Lebensstandard, die Wirtschaftskraft des Landes und das friedliche Zusammenleben mit unseren Nachbarn haben wir in hohem Maße der europäischen Integration zu verdanken.»

 

Die Südwest-FDP bezeichnete das Briten-Votum als Paukenschlag. «Das Aufkommen nationalistischer Stimmungen muss uns mit Sorge erfüllen», sagte der europapolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Erik Schweickert. Es habe kaum «rationale Gründe» für einen Brexit gegeben. Vielmehr seien mehr als die Hälfte der Teilnehmer am Referendum für «plumpe Stimmungsmache» empfänglich gewesen.

 

Das Centrum für Europäische Politik (CEP) mit Sitz in Freiburg warnte die EU vor zu großen Zugeständnissen an Großbritannien. Der britische Alleingang könnte sonst unter anderen EU-Staaten Nachahmer finden, sagte der Wissenschaftler Bert Van Roosebeke. Als Beispiele nannte er die Niederlande und Dänemark. Gehe die EU auf Forderungen aus Großbritannien zu sehr sein, könnten auch andere Mitgliedsstaaten diesen Weg einschlagen und ähnliche Privilegien in Anspruch nehmen.

 

Das britische Votum könne nun politische Turbulenzen in den anderen EU-Mitgliedsländern nach sich ziehen, warnte Diana Panke, Politikwissenschaftlerin an der Universität Freiburg. «Es kann beispielsweise Populisten und Anti-EU-Parteien zu Aufwind verhelfen und so die Frage lauter werden lassen, ob man die Integration weiter vertiefen sollte und ob weitere Länder der EU beitreten sollten.» (DPA/LSW)