Studie: Gemeinschaftsschule nicht besser als andere Schularten

Kultusminister Stoch (SPD) stellte eine Studie zu Gemeinschaftsschulen vor. Foto: Marijan Murat
Kultusminister Stoch (SPD) stellte eine Studie zu Gemeinschaftsschulen vor. Foto: Marijan Murat

Nach einer Studie ist die von Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule anderen Schularten nicht überlegen. Die Unterrichts-qualität sei an der «Schule für alle» weder schlechter noch besser als an anderen Schularten, sagte der Leiter der Forschungs-gruppe, Thorsten Bohl von der Universität Tübingen, bei der Präsentation der Ergebnisse am Mittwoch in Stuttgart. «Es gibt keine positiven oder negativen Ausreißer.» Die Schulart sei nicht primär bedeutsam für die Motivation der Schüler.

Wichtig für die Qualität des Unterrichts sei der Lehrer und sein Umgang mit Heterogenität in der Lerngruppe. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) folgerte aus der von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) in Auftrag gegebenen Studie: «Die Gemeinschaftsschule muss den Vergleich mit anderen Schularten nicht scheuen.» Die Opposition hingegen sieht ihre Vorbehalte gegenüber der Gemeinschaftsschule bestätigt.

 

Auch von wissenschaftlicher Seite hagelte es Kritik. Der von der CDU-Fraktion mit der Bewertung der Studie betraute Kölner Bildungswissenschaftler Matthias Burchardt bezeichnete das Gutachten als «bildungspolitischen Offenbarungseid». Denn die Schülerleistung, an der sich die Unterrichtsqualität festmachen lasse, werde ausdrücklich nicht erhoben. Die Kernfrage im Blick auf die Gemeinschaftsschule müsse lauten: Lernen die Schüler ausreichend, was sie für Studium oder Ausbildung brauchen?

 

Dazu betonte das Kultusministerium: Die von Burchardt geforderte Leistungsmessung werde im Rahmen der üblichen Verfahren wie PISA erfolgen. Zudem sei Burchardt kein ausgewiesener Experte für Fragen der empirischen Bildungsforschung. Stoch betonte, Lernstandtests für die 2012/2013 eingeführte Schulart seien noch zu früh.

 

Laut der 150 000 Euro teuren Untersuchung droht die Arbeit an Gemeinschaftsschulen deren Lehrer zu überfordern. Deshalb empfehlen die Wissenschaftler dem Kultusministerium, über eine veränderte Bemessung der Lehrerarbeitszeit und weitere Unterstützung der Pädagogen nachzudenken. «Der wichtigste Bedarf ist Zeit», sagte Bohl. Auch die verstärkte Kooperation der Lehrer untereinander benötige mehr Zeit. Stoch versprach, Fortbildung, Beratung und digitale Bildungsplattformen auszubauen. Die verpflichtende Unterrichtszeit der Pädagogen zu reduzieren, schloss er aber auch mit Blick auf Lehrermangel aus.

 

Die Studie verwies auch auf Probleme, die angemessenen Aufgaben für die unterschiedlichen Leistungsniveaus in der Lerngruppe zu finden. Da gebe es noch «Spielraum nach oben», sagte Albrecht Wacker von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Für Bohl muss das individuelle Lernen «richtig gut gemacht» sein, damit schwache Schüler auch davon profitieren. Nicht jeder Schüler brauche das gleiche Maß von Freiheit.

 

CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf sagte: «Jetzt haben wir es Schwarz auf Weiß: Die Gemeinschaftsschule überfordert schwache Schüler.» Es sei besorgniserregend, dass die Lehrkräfte eine zu hohe Arbeitsbelastung beklagten. Er fügte hinzu: «Und das, obwohl die Gemeinschaftsschule schon heute bei der Verteilung von Lehrerstellen klar bevorzugt wird.» Die FDP im Landtag konstatierte bei Grün-Rot «Ausbleiben von Jubelmeldungen, wie sie der Anfangseuphorie der Koalition hinsichtlich der neuen Schulart entsprochen hätten». Mit der Gemeinschaftsschule laufe es alles andere als rund, sagte der liberale Bildungsexperte Timm Kern.

 

Die Grünen-Landesvorsitzende Thekla Walker forderte für Lehrkräfte an den ganztägigen und inklusiven Gemeinschaftsschulen weiterhin bestmögliche Unterstützung. «Sie darf auf keinen Fall finanziell beschnitten werden, wie von Guido Wolf angekündigt.» Die Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz, warnte davor, im Landtagswahlkampf die Gemeinschaftsschule und die Arbeit ihrer Lehrer schlecht zu reden und mit Stammtischparolen Stimmung zu machen. Das Interesse von Eltern und Schulträgern an der neuen Schulart wachse.

 

Als überraschend bezeichnete Bohl die großen Unterschiede zwischen den Gemeinschaftsschulen und auch innerhalb einzelner Gemeinschaftsschulen - trotz des gemeinsamen Konzeptes der Individualisierung.

 

Im diesem Schuljahr lernen Schüler mit Empfehlung für Haupt-/Werkrealschule, für Realschulen und Gymnasium gemeinsam an 271 Gemeinschaftsschulen. Die CDU und die FDP wollen im Fall einer Machtübernahme im Südwesten die Privilegien, die die Schulart aus ihrer Sicht genießt, abschaffen. Die CDU will keine weiteren Gemeinschaftsschulen genehmigen. (DPA)