Streit ums Berliner Schloss

Die Baustelle des Berliner Schlosses am frühen Abend vor Winterhimmel. Foto: Paul Zinken
Die Baustelle des Berliner Schlosses am frühen Abend vor Winterhimmel. Foto: Paul Zinken

Mit seinen Bauprojekten hat sich Berlin bundesweit Hohn und Spott eingehandelt. Das Debakel um den Hauptstadtflughafen ist das bekannteste Beispiel, aber auch die Staatsoper, die Staatsbibliothek und das neue Empfangsgebäude für die Museumsinsel verschlingen Millionen mehr als geplant. Kein Wunder, dass bei Zweifeln am bisherigen Vorzeigeprojekt Berliner Schloss alle Alarmglocken läuten. Auslöser ist der überraschende Rückzug des langjährigen Baumanagers Manfred Rettig.

Das Rätselraten um seine Beweggründe bringt nach und nach an den Tag, dass auf der größten Kulturbaustelle des Bundes im Herzen Berlins keineswegs alles so reibungslos lief wie bisher angenommen. Dort soll bis 2019 unter dem Namen Humboldtforum ein Kultur- und Museumszentrum entstehen.

 

Baustaatssekretär Florian Pronold (SPD) bestätigte als Stiftungsratschef Anfang der Woche, dass es 2015 durch eine mangelhafte Planung bei der Gebäudetechnik Mehrkosten von 6,2 Millionen Euro gab. Das Geld sei aber aus der Risikovorsorge finanziert worden, sagte er. «Wir sind mit dem Berliner Schloss voll im Zeit- und Kostenrahmen.»

 

Aus einem auch der dpa vorliegenden Sachstandsbericht des Ministeriums vom 16. Dezember an den Bundestag geht allerdings hervor, dass damit der Puffer für unerwartete Zusatzkosten bereits um mehr als ein Drittel auf 14,4 Millionen Euro geschrumpft ist.

 

«Risiken aufgrund mangelhafter Ausführungsplanung der Gebäudetechnik sind auch zukünftig nicht auszuschließen», heißt es in dem Bericht weiter. Zudem ist ausgewiesen, dass von den zugesagten 80 Millionen Euro Spenden für die historischen Fassaden bisher erst knapp 28 Millionen eingegangen sind - notfalls müsste auch hier der Steuerzahler einspringen.

 

Zur Erinnerung: Schon 2011 hatte der Bundestag einen Nachschlag von 38 Millionen Euro für das Mammutprojekt bewilligen müssen - wegen gestiegener Preise im Baugewerbe. Als neue Kostenobergrenze legten die Abgeordneten 590 Millionen Euro fest. Bis auf die Linken stimmten damals alle Parteien dafür, die zu DDR-Zeiten gesprengte Residenz der Preußenkönige wiederaufzubauen.

 

Der scheidende Bauherr Rettig warf den Verantwortlichen in Bund und Land in seiner harschen Schlussabrechnung nun vor, das inhaltliche Konzept nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht zu haben. Auch die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl warnte deshalb am Mittwoch vor Mehrkosten und Verzögerungen.

 

Tatsächlich hat zwar der im Sommer berufene Leiter der Gründungsintendanz, der britische Museumsstar Neil MacGregor, zu Jahresbeginn seine Arbeit aufgenommen. Er sitzt aber noch in einem Zwischenquartier in der Antikensammlung, die Stabsstelle fehlt. Und erst im Frühjahr will der mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Experte etwas von seinen Ideen verraten.

 

Derweil müssen unter Hochdruck gleich zwei weitere Führungsstellen besetzt werden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (SPD) braucht einen Geschäftsführer für die neu gegründete Humboldtforum Kultur GmbH, die MacGregors Ideen umsetzen soll. Es ist fraglich, ob der vorgeschlagene Chef der Antikensammlung, Andreas Scholl, den Schleudersitz wirklich übernimmt.

 

Noch schwerer aber dürfte für das Bauministerium die Suche nach einem Rettig-Nachfolger sein. Denn Insider erwarten, dass es mit den Stolpersteinen eigentlich erst jetzt richtig losgeht. «Der Rohbau ist nie das Problem. Auch beim Hauptstadtflughafen haben die Schwierigkeiten erst beim Innenausbau angefangen», heißt es in Projektkreisen.

 

Dennoch hält sich die Trauer über den Abgang des bisherigen «Schlossherrn» in Grenzen. Zwar hat Rettig, der einstige Manager des Bonn-Berlin-Umzugs, auch das neue Projekt straff durchgezogen - mit seiner durchsetzungsfreudigen Art ist er bei den künftigen Nutzern aber auch immer wieder angeeckt.

 

Für Berlin, das mit einer Ausstellung zur Stadtgeschichte ins Humboldtforum einziehen will, machte Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) kürzlich das Unbehagen an Rettigs Abschiedsbegründung deutlich. «Das ist ein bisschen so, als würde der Lotse von Bord gehen, weil eventuell Klippen kommen könnten. Dabei müsste er doch gerade dann bleiben.» (DPA)