Keinen Fisch mehr essen? Greenpeace schockiert Industrie

Der Bundesverband der Fischindustrie hält den Greenpeace-Einkaufsratgeber für «wirklichkeitsfremd». Foto: Markus Scholz
Der Bundesverband der Fischindustrie hält den Greenpeace-Einkaufsratgeber für «wirklichkeitsfremd». Foto: Markus Scholz

Fast keine Fischart kann nach Einschätzung von Greenpeace bedenkenlos gekauft und gegessen werden. Nur der Karpfen darf nach Ansicht der Umweltschützer mit gutem Gewissen auf den Tisch kommen. Das geht aus einem neuen Einkaufsratgeber hervor, den Greenpeace am Mittwoch veröffentlichte. Das Heft soll Verbrauchern helfen, umweltbewusst Meeres-tiere zu kaufen. Die Umweltschutzorganisation hat 115 Arten bewertet. Konsumenten sollten je nach Art auf den Zustand des Bestandes, das Herkunftsgebiet des Fangs und die Fang-methode achten.

«Vielen Fischbeständen steht das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals», sagte die Greenpeace-Meeresexpertin Sandra Schöttner. Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO seien 28,8 Prozent der weltweiten Speisefischbestände überfischt oder erschöpft, 61,3 Prozent würden bis an die Grenze genutzt.

 

Für nicht vertretbar hält die Umweltschutzorganisation den Verzehr von Aal, Rotbarsch, Makrele, Seehecht und Alaska-Seelachs. Grundsätzlich rät Greenpeace: «Essen Sie seltener oder im Idealfall gar keinen Fisch.»

 

Der Bundesverband der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels hält den Einkaufsratgeber für «wirklichkeitsfremd». Er ignoriere viele Entwicklungen, die von der Fischindustrie und zum Teil auch von Greenpeace selbst in den vergangenen zehn Jahren angestoßen worden seien, sagte Verbandsgeschäftsführer Matthias Keller. «Das sind sehr ideologische Empfehlungen.»

 

Im Fischfang sei alles durch Vorschriften geregelt, von den Mengen bis zu den Fangmethoden. Greenpeace rate vom Kauf von Kabeljau ab, tatsächlich komme die Mehrzahl der Fische aber aus nachhaltigem Fang. Auch bei der Scholle sei die freigegebene Fangmenge in der Nordsee noch nie so groß wie 2015 und 2016 gewesen.

 

Über die Fischbestände informiert die Fischindustrie in Kooperation mit Wissenschaftlern vom Thünen-Institut für Ostseefischerei im Internet. Demnach ist etwa der in Deutschland beliebte Alaska-Seelachs in drei von vier Fanggebieten nicht überfischt. Im vierten Fanggebiet, der westlichen Beringsee, ist der Zustand des Bestandes aufgrund fehlender Daten unklar. Greenpeace rät dagegen zum völligen Verzicht von Alaska-Seelachs, weil die Fische mit Schleppnetzen gefangen würden, die den Meeresboden zerstörten.

 

In Deutschland wurden 2014 etwa 1,2 Millionen Tonnen Fisch konsumiert, das waren gut 14 Kilo pro Kopf. Weltweit liegt der Pro-Kopf-Verbrauch nach Angaben der Fischindustrie bei 19 Kilo, in der EU sogar bei 23 Kilo. «Wir sind da noch ein Entwicklungsland», sagte Keller. Der Verband setzt auf einen steigenden Fischkonsum in Deutschland. Der beliebtesten Speisefisch ist inzwischen der Lachs vor dem Alaska-Seelachs. Es folgen Hering, Thunfisch und Forelle. (DPA)