Warum im Job Loslassen besser sein kann als Anschieben

Simone von Stosch arbeitet als systemischer Coach und berät Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft. Foto: Simone von Stosch
Simone von Stosch arbeitet als systemischer Coach und berät Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft. Foto: Simone von Stosch

Die nächste Stufe auf der Karriereleiter, das größere Projekt, mehr Verantwortung: Mancher treibt seine Karriere mit großem Ehrgeiz voran. Doch Hartnäckigkeit führt nicht immer ans Ziel.

Warum Loslassen die bessere Alternative sein kann, erklärt Simone von Stosch, die in Berlin als Coach arbeitet:

 

Wer etwas erreichen will, muss sein Ziel mit Ehrgeiz verfolgen. Sie sagen das Gegenteil. Um Ziele zu erreichen, sei es wichtig, sie loszulassen. Warum das? Wer etwas zu viel will, übt Druck aus. Das mögen wir nicht.

Unbewusst halten wir von solchen Menschen Abstand. Man erreicht oft mit zu viel Druck das Gegenteil von dem, was man eigentlich möchte. Häufig ist es besser, gelassener ranzugehen. Unsere Gesellschaft legt den Fokus häufig zu sehr auf Ehrgeiz, Druck, und Leistung durch Anstrengung.

 

Können Sie Beispiele für das Berufsleben geben, wo zu viel Druck eher hinderlich ist?

Ja, zum Beispiel bei Karriereschritten oder wenn es darum geht, einen Chefposten haben zu wollen. Dann ist es eben nicht gut, sehr stark zu insistieren und zu sagen, dass man das will. Das war mal eine Weile die Philosophie. Es ist viel besser, zu zeigen, was man kann und Kompetenz durch sein Selbstverständnis und souveränes Auftreten zu präsentieren. Gerade wenn es darum geht, einen Job zu bekommen, ist zu viel Druck oft hinderlich.

 

Was für ein Verhalten haben Sie vor Augen? Wie sieht zu viel Druck konkret aus?

Man merkt es Menschen an, die nicht so stark um der Sache selbst willen agieren, sondern die sehr stark unter Druck stehen und bestimmte Ansprüche erfüllen wollen. Das sieht man den Menschen an und spürt es. Und wir merken es an uns selber, wenn wir ständig unter Druck agieren und nicht aus Gelassenheit heraus. Symptome sind etwa, dass man immer wieder grübelt und die Gedanken um dasselbe kreisen. Es ist schlecht, sich an Vorstellungen abzuarbeiten: Was muss ich erreichen? Was wird von mir verlangt? Sieht mein Chef, wie gut ich bin? Sind andere besser als ich? Alle diese Gedanken sind das Gegenteil von Gelassenheit. Das führt auf Dauer zu Erschöpfungszuständen.

 

Loslassen klingt schnell wie aufgeben. Ist das für Sie das Gleiche?

Ich würde sagen, Loslassen ist das Gegenteil von Aufgeben. Loslassen heißt im Grunde genommen: Ich kenne meine Ziele, und ich weiß, was ich will. Diese Klarheit, zu wissen, was man will, was man kann, ist die Voraussetzung dafür, loszulassen und gelassen sein zu können. Und natürlich heißt es nicht, dass man keine Ziele mehr haben soll. Es heißt nur, sie nicht mit ganz so viel Angespanntheit zu verfolgen. Auch da wo sich Widerstände auf Dauer immer wieder auftun, sollte man manchmal einfach den Weg loslassen. Es bringt nichts, immer wieder das Gleiche zu machen, wenn man immer wieder an einen Widerstand stößt.

 

Wer sollte sich im Loslassen üben? Ist jemand träge und ambitionslos, führt Loslassen eher in die Lethargie. Wen haben Sie vor Augen?

Hinter der Lethargie steckt auch etwas, was losgelassen werden müsste. Dahinter steht oft der Grundsatz: Ich schaffe das eh nicht. Menschen, die dazu neigen, müssten diese Glaubenssätze loslassen. Aber generell: Wem ist das besonders zu raten: Denen, die in unserer Leistungsgesellschaft Leistungsträger sind und die Verantwortung tragen. Die Hirnforschung zeigt: Wir werden nicht dann besonders gut, wenn wir uns besonders anstrengen, sondern wenn wir uns wie Kinder einer Sache hingeben und ganz in dem Moment sind. Da entsteht der Flow-Moment, ein Moment hoher Produktivität.

 

Wie lässt man los?

Es funktioniert über die Gedanken. Es ist ein Vergegenwärtigen: Jetzt bin ich wieder ganz schön angespannt und will mit dem Kopf durch die Wand, oder es geht mir gar nicht mehr um die Sache, sondern die Macht. Dann hilft Gelassenheit, zu lächeln und zu sagen, ach komm. Wir sagen uns selber öfter: «Komm', streng' Dich mehr an.» Es ist viel besser, sich beim Zähneputzen zu sagen: «Ach komm', vertrau' mal. Das wird schon!» Natürlich müssen wir auch an Dingen dranbleiben. Ganz klar. Wichtig ist, den Unterschied herauszufinden: Ist es eine Konvention, der ich entspreche, ist es ein innerer Antreiber wie «Du musst die Beste sein» oder ist es die Sache selbst. Ist es mein Weg. (DPA/TMN)