Kartellamt kämpft für Chancengleichheit im Netz

Das Bundeskartellamt in Bonn sieht den Kampf für mehr Chancengleichheit im Internet als seine neue zentrale Aufgabe. Foto: Oliver Berg
Das Bundeskartellamt in Bonn sieht den Kampf für mehr Chancengleichheit im Internet als seine neue zentrale Aufgabe. Foto: Oliver Berg

Das Bundeskartellamt sieht angesichts rapide wachsender Marktanteile des Online-Handels den Kampf für mehr Chancengleichheit im Internet als neue zentrale Aufgabe. «Die Vertriebsbedingungen einiger Hersteller benachteiligen die kleinen Händler, indem sie ihnen Angebote über wichtiger Suchportale im Netz untersagen», kritisierte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt in einem Interview der Nachrichtenagenturen dpa und dpa-AFX. «Wir müssen den Markt offenhalten und dafür sorgen, dass auch kleinere Händler im Netz gefunden werden», sagte Mundt.

Dazu habe das Amt 2015 eine Taskforce Digital gebildet, die auch über mögliche Rechtsänderungen nachdenke.

 

2015 verbot das Amt beispielsweise die scharfen Auflagen des Sportschuhherstellers Asics für Online-Händler, die aus Sicht der Behörde kleine und mittelständische Marktteilnehmer benachteiligt. Das Kartellamt kämpfe außerdem gegen sogenannte Bestpreisklauseln von Internetportalen, sagte Mundt. So habe die Behörde dem Hotelbuchungsportal HRS Auflagen für seine Teilnehmer untersagt, nach denen die Zimmer nirgendwo - auch nicht an der Rezeption - günstiger angeboten werden dürfen als über das Portal. Ein ähnliches Verfahren gegen den HRS-Konkurrenten Booking.com laufe noch. Außerdem sei das Kartellamt gegen Bestpreis-Auflagen bei Amazon vorgegangen.

 

Insgesamt hat die Behörde 2015 nach Mundts Worten in elf Kartellfällen Bußgelder von rund 190 Millionen Euro gegen 37 Unternehmen und 24 Privatpersonen - meist Firmenmanager - verhängt. Das liege im Durchschnitt der vergangenen Jahre. 2014 hatte es mit Bußgeldern von mehr als einer Milliarde Euro ein Rekordjahr gegeben. Nach diesem Ausreißerjahr sei das Amt wieder bei der Normalität angekommen. Mit den Bußgeldern will das Kartellamt unerlaubte Preisabsprachen zu Lasten der Verbraucher verhindern. Nach wissenschaftlichen Studien führen Kartelle zu Preisaufschlägen von im Schnitt 10 bis 15 Prozent und damit zu einem hohen Milliardenschaden.

 

Die seit einigen Jahren verschärfte Kartellverfolgung mit Kronzeugenregelung und seit 2012 auch anonymen Hinweisgebern zeige Wirkung, sagte Mundt. «Am Anfang gab es viel Unverständnis, jetzt gibt es bereits gute Compliance-Programme bei vielen Firmen.» Trotzdem sei natürlich auch 2016 mit neuen Verfahren zu rechnen. Im ablaufenden Jahr hatte das Kartellamt wegen Verdachtsfällen 88 Unternehmen durchsuchen lassen. Im Fokus standen dabei unter anderem Hersteller von Metallverpackungen, Edelstahlproduzenten und Fernsehstudios. Für solche Durchsuchungen lägen die Schwellen hoch, versicherte Mundt: «Ein einzelner anonymer Hinweis reicht da sicher nicht.»

 

Fusionen wurden wie in den Vorjahren vom Kartellamt meist genehmigt: Bei rund 1100 angemeldeten Zusammenschlüssen gab es nur ein Verbot sowie eine Erlaubnis mit Auflagen. Der Verbotsfall ist die Fusion von Edeka und Kaisers Tengelmann (KT). Die Übernahme der rund 450 KT-Filialen durch den Handelsriesen Edeka hatte die Behörde im Frühjahr 2015 verboten, dagegen haben die Unternehmen eine Ministererlaubnis beantragt.

 

Falls die Fusion dadurch letztlich doch genehmigt werden sollte, sei das keineswegs eine «Ohrfeige für das Bundeskartellamt», sagte Mundt. Der Wirtschaftsminister prüfe nach völlig anderen Kriterien als die Kartellbehörde und berücksichtige dabei beispielsweise verstärkt gesamtwirtschaftliche Interessen und den Arbeitsplatzerhalt. Die Entscheidung wird 2016 erwartet.

 

Im neuen Jahr hofft Mundt auch auf eine Gesetzesänderung, um Bußgeld-Tricksereien von großen Unternehmen so schnell wie möglich einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben. «Wir sind auf einem guten Weg, ich rechne damit, dass wir die Gesetzesnovelle im nächsten Jahr bekommen», sagte er. Konzerne können sich nach deutschem Recht bislang so geschickt umstrukturieren, dass ein bestraftes Unternehmen nur noch als leere Hülle übrig bleibt und sich so um die Zahlung drücken kann.

 

«Wir wünschen uns eine Lösung, die nah am europäischen Recht liegt», sagte Mundt. Dann böten Umstrukturierungen keine Schlupflöcher mehr. «Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinkommen. Teilweise geht es um hohe Bußgelder.» In der Vergangenheit waren der Behörde nach früheren Angaben schon Bußgelder von mehr als 80 Millionen Euro verloren gegangen. Ohne eine gesetzliche Neuregelung fürchtet die Behörde, mehrere Hundert Millionen Euro an verhängten Strafen nicht vollstrecken zu können. (DPA)