Wüstenrot & Württembergische nutzt Start-up-Methoden

Rüdiger Marold, Vorstand der Wüstenrot Bank. Foto: Andy Ridder/Archiv
Rüdiger Marold, Vorstand der Wüstenrot Bank. Foto: Andy Ridder/Archiv

Stuttgart (dpa/lsw) - Mit Hilfe von neuen Online-Angeboten will der Finanzkonzern Wüstenrot & Württembergische (W&W) Kunden stärker an sich binden. «Wir erreichen jetzt Kunden, die wir ansonsten über unsere Kanäle nicht angesprochen hätten», sagte Rüdiger Maroldt, Vorstand der Wüstenrot Bank, der vom 1. Januar an das neue digitale Kundenbüro von W&W leitet, der Deutschen Presse-Agentur. Damit erschließe sich der Konzern neue Zielgruppen. «Mit der Bank erreichen wir jetzt auch stärker Kunden im Alter von 20 bis 35 Jahren.»

Bei den Angeboten geht es nicht um neue Produkte, sondern um Angebote, mit deren Hilfe W&W auf sich aufmerksam machen will.

 

Neben einem Vorsorge-Check ist das zum Beispiel eine Plattform für Vermieter, auf der diese ihren Wunschmieter finden sollen. Gleichzeitig baut W&W das digitale Angebot für seine bestehenden Kunden aus. Von den 500 Millionen Euro, die der Konzern bis 2017 investiert, fließt ein Großteil in die Digitalisierung.

 

«Einsparungen zu beziffern, wäre noch zu früh», sagte Maroldt. Geplant sei ein jährlicher Produktivitätsfortschritt von fünf Prozent durch Strukturverbesserungen und weitere Automatisierungen.

 

W&W hatte sich in den vergangenen Jahren gesundgespart und unter anderem 800 Stellen gestrichen. Der Konzern leidet wie die gesamte Finanzbranche unter der anhaltenden Niedrigzinsphase und den Maßgaben zur Regulierung. Zu W&W gehört neben der Bausparkasse Wüstenrot auch die Württembergische Lebensversicherung.

 

«Wir müssen vom Kunden her denken und uns überlegen, wohin sich der Kunde bewegt», erklärte Maroldt. Dazu hat sich der Konzern im Frühjahr die Hilfe der Firma Etventure geholt, mit der W&W inzwischen ein Joint Venture gegründet hat. «In der Vergangenheit hat die gesamte Finanzdienstleistungsbranche Produkte entwickelt und dann an den Kunden gebracht», sagte Maroldt. «Heute ist der Weg umgekehrt.»

 

Die Wunschmieter-App wurde als Prototyp mit Kunden entwickelt, bevor sie im Dezember online ging. Drei ähnliche Prototypen sollen bis Frühjahr 2016 veröffentlicht werden. «Der Kunde möchte nicht immer zwingend etwas Revolutionäres», sagte Etventure-Gründer und -Chef Philipp Depiereux. «Wir haben zum Beispiel die Idee einer flexiblen Altersvorsorge getestet, und die Resonanz beim Kunden hat gezeigt, dass dies zumindest aktuell nicht als digitales Geschäftsmodell ausreichend angenommen wird.»

 

Parallel bemüht sich W&W wie andere Finanzkonzerne auch, seine bestehenden Dienstleistungen mit Hilfe von Digitalisierung zu modernisieren. Wie die Sparda-Bank im Südwesten setzt W&W dabei auf die Legitimation und Beratung per Video über das Internet. «Seit Juli 2015 haben wir das Girokonto ohne Unterschrift», sagte Maroldt. Der Kunde identifiziert sich über eine Video-App, bei der er sich vorher angemeldet hat.

 

Im Wertpapiergeschäft wird per Video beraten. Die Überraschung: «Unser erster Kunde war 74, der zweite war über 60, der nächste war knapp unter 60», sagte Maroldt. Die Zielgruppe, die sich in der Videoberatung herausbildet, liege zwischen 45 bis hin zu 70. «Gut 800 Kollegen im Außendienst nutzen Videoberatung», sagte Maroldt. «Da sind wir vielen Banken voraus, die heute über Flächenrückzug und Filialschließungen nachdenken.» Zuletzt hatte die LBBW angekündigt, im Südwesten 40 Filialen zu schließen.

 

Damit verbunden sei auch ein Kulturwandel. «Dieses Spielerische ist eine ganz andere Sache. Das merken wir auch bei den Menschen, die aus dem gemeinsamen Startup zurückkommen», sagte Maroldt. Eine Wahl haben Finanzkonzerne wie W&W nicht, glaubt er: «Wer heute nicht vom Kunden her denkt, wird Produkte nicht kundenorientiert entwickeln und vom Markt verschwinden.» Der Druck, sagte Philipp Depiereux, komme allerdings nicht von Wettbewerbern, sondern von großen Digitalmarken wie Google oder sogenannten Fintechs - Startups im Finanzbereich. (DPA/LSW)