Analyse: Trockene Entscheidung, große Wirkung

Janet Yellen während der Pressekonferenz in Washington, DC. Foto: Michael Reynolds
Janet Yellen während der Pressekonferenz in Washington, DC. Foto: Michael Reynolds

Die US-Notenbank Fed hat am Mittwoch erstmals seit der Finanzkrise die Leitzinsen erhöht - das Kapitel «Rezession» ist damit geldpolitisch abgeschlossen. Einstimmig entschieden sich die Mitglieder des sogenannten Offenmarkt-Ausschusses zu dem Schritt. Doch Risiken bleiben. Wichtige Fragen und Antworten zur US-Zinswende: Warum dreht die Federal Reserve nun wieder an der Zinsschraube? Die Leitzinsen lagen sieben Jahren lang nahe Null und somit deutlich unter dem Normalniveau.

Die Fed drückte die Zinsen so stark, um die in der Finanzkrise fast zum Erliegen gekommene Wirtschaft mit billigem Geld anzufachen. Langfristig kann eine solche Politik zu gefährlichen Blasen führen - etwa auf dem Immobilienmarkt, zu ungesunder Risikobereitschaft oder Überschuldung. Somit musste die Fed irgendwann gegensteuern. Eine derzeit recht stabile Arbeitsmarktlage und gesundes Wachstum in den USA ließen den Moment als günstig erscheinen.

 

Warum sind die Leitzinsen in den USA so wichtig für die ganze Welt?

Die USA haben als größte Volkswirtschaft eine Leitwirkung. Vor allem aber: Viele Geschäfte rund um den Globus werden in US-Dollar abgewickelt, viele Anlagen in Dollar gehalten. Und der Dollar wird durch eine Zinsanhebung in der Heimat potenziell stärker, er wertet gegenüber anderen Währungen eher auf. Wer also Schulden in Dollar hat, seine Einnahmen aber in der eigenen Währung generiert, für den steigen künftig möglicherweise die Kosten. Das betrifft vor allem viele Unternehmen, etwa in Schwellenländern wie Brasilien, aber auch in der Türkei. Da die Entscheidung an den Märkten erwartet wurde, dürfte vieles allerdings schon vorweggenommen worden sein.

 

Gibt es weitere Risiken der Zinsanhebung?

Viele. Die Fed muss eine gute Balance finden. Sie tat den ersten Schritt sehr vorsichtig. Zieht sie zu zögerlich und zu spät nach, verpufft möglicherweise die Wirkung. Schreitet sie mit weiteren Anhebungen zu forsch voran, könnte sie das Wachstum in den USA abwürgen und den Dollar so stark und damit für Ausländer so teuer machen, dass sich weniger Kunden Waren aus den USA leisten können. Die Exporte würden damit einbrechen. Experten wie der Washingtoner Ökonom Gerald O'Driscoll bezeichnen die Zinswende als «Experiment».

 

Wie geht die Zinswende technisch voran?

Fed-Chefin Janet Yellen kann nicht einfach mit dem Finger schnippen - und schon sind die Zinsen höher. Bei früheren Erhöhungen der kurzfristigen Leitzinsen verkaufte die Notenbank so lange Anleihen mit kurzfristiger Laufzeit aus ihrem Besitz, bis das gewünschte Zinsniveau erreicht war. Das geht aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr - unter anderem, weil die Banken in billigem Zentralbankgeld schwimmen und die Fed deswegen nur unter Einsatz großer Summen den Marktzins steuern könnte. Diesmal wird sie die Zinsen auf die Einlagen der Geschäftsbanken erhöhen. Dies bedeutet aber, dass der US-Steuerzahler einen Teil der Zeche zahlt. Eine Hochrisiko-Unternehmung im Wahljahr, wo doch die Banken ohnehin schon sechs Milliarden Dollar an Zinsen von der Fed einstreichen.

 

Werden die Zinsen auch im Euroraum bald erhöht?

Nein. Damit ist vor 2017 nicht zu rechnen. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Geldschleusen gerade erst noch weiter geöffnet und unter anderem das vor allem in Deutschland umstrittene Kaufprogramm für Staatsanleihen sowie andere Wertpapiere um ein halbes Jahr verlängert. Bis mindestens zum März 2017 sollen so monatlich 60 Milliarden Euro in den Markt gepumpt werden, insgesamt 1,5 Billionen Euro. «Wenn es dann nicht reicht, können wir weitermachen», betonte EZB-Präsident Mario Draghi. Ziel der Maßnahmen ist es, die Konjunktur anzuschieben und die Mini-Inflation im Euroraum nach oben zu treiben. So lange das Programm läuft, wird die EZB den Leitzins nahe der Nulllinie lassen. Das ist gut für Häuslebauer, die ihre Immobilie extrem günstig finanzieren können. Aber es ist schlecht für Sparer, weil vermeintlich sichere Anlagen kaum Geld abwerfen.

 

Was bedeutet die Zinserhöhung in den USA für Europa?

Der teure Dollar macht Importe aus dem Dollar-Raum teurer - und stärkt somit die zu niedrige Inflation in Europa. Auch die Benzinpreise würden wohl leicht nach oben gehen, weil Rohöl in Dollar gehandelt wird. Urlauber müssten bei Reisen in die USA tiefer in die Tasche greifen. Gleichzeitig werden hiesige Produkte aber auf dem Weltmarkt günstiger. Das Münchener Ifo-Institut ist überzeugt: «Die (US-)Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aus dem Euroraum dürfte angesichts der Abwertung des Euro beschleunigt zunehmen.»

 

Gibt es auch im Euroraum bald höhere Zinsen?

Ein rasches Nachziehen der EZB ist auf längere Zeit wohl nicht in Sicht. «Wenn es dann nicht reicht, können wir weitermachen», betonte Draghi mit Blick auf das bis zum März 2017 verlängerte Anleihen-Kaufprogramm. Häuslebauer in der Eurozone können erst einmal auf weiter extrem niedrige Zinsen setzen. Sparer allerdings auch. (DPA)