Seehofer entschärft vorerst Unions-Streit um Flüchtlinge

CSU-Chef Seehofer hält seine Rede in Karlsruhe. Der Kanzlerin scheint es zu gefallen. Foto: Michael Kappeler
CSU-Chef Seehofer hält seine Rede in Karlsruhe. Der Kanzlerin scheint es zu gefallen. Foto: Michael Kappeler

Nach langen Querelen in der Union kann Kanzlerin Angela Merkel jetzt mit Rückhalt von CDU und CSU die Bewältigung der Flüchtlingskrise in Angriff nehmen. CSU-Chef Horst Seehofer entschärfte mit einer versöhnlichen Rede auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe vorerst das Zerwürfnis mit der CDU über ein Limit für die Flüchtlingszahl. Zwar rückte er nicht von der Forderung nach einer Obergrenze ab, betonte aber vor den etwa 1000 Delegierten: «Ich glaube, durch Ihren Beschluss gestern sollte es möglich sein, (...) hier gemeinsam die nächsten Wochen und Monate zu gestalten.»

Im Gegensatz zum Koalitionspartner SPD hat sich die Union damit weitgehend geschlossen präsentiert.

 

Die Kanzlerin sagte nach dem Kongress vor Journalisten über die CSU: «Ich konzentriere mich auf die Gemeinsamkeiten.» Die Union sei am stärksten, wenn sie gemeinsame Sache mache. «Es gibt eine gute Grundlage, dies zu tun.» Merkel sieht sich gestärkt für die Aufgaben in der Flüchtlingskrise. «Mein Gefühl ist: Dieser Parteitag hat uns allen gutgetan.» Sie ergänzte später: «Das ist schon Rückenwind.»

 

Vor dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise am Donnerstag pochte die Kanzlerin darauf, Europa müsse «einen Zahn zulegen». Sie erwarte keinen Durchbruch, aber Fortschritte.

 

Nach einem Beschluss vom Montag lehnt die CDU eine Flüchtlings-Obergrenze ab, setzt sich aber für eine «spürbare Reduzierung» ein. Merkel sagte nun, die CDU habe sich als Partei von Maß und Mitte präsentiert, gemeinsame Positionen für die großen Herausforderungen gefunden - «und wir haben versucht, die verschiedenen Sichtweisen zueinanderzubringen». Es seien nicht nur Sorgen artikuliert, sondern auch Antworten gefunden worden.

 

Merkel vermied gemeinsame Jubel-Fotos mit Seehofer. So blieb sie bei der Rede des bayerischen Ministerpräsidenten auf ihrem Platz auf der Bühne sitzen, obwohl Seehofer mehrfach Gesten zu einem gemeinsamen Auftritt vor dem Rednerpult machte. Seehofers Ansprache wurde von den CDU-Delegierten mit freundlichem, aber vergleichsweise sparsamen Beifall bedacht. Den größten Applaus bekam er, als er sagte: «Wir haben eine exzellente Kanzlerin. Unsere Kanzlerin vertritt uns erstklassig in der ganzen Welt. Sie ist in Deutschland hoch geschätzt und ich sage ausdrücklich: auch im Freistaat Bayern.»

 

Beim CSU-Parteitag vor gut drei Wochen hatte Merkel die CSU mit der Obergrenzen-Forderung abblitzen lassen. Seehofer kanzelte sie daraufhin auf offener Bühne ab. Seehofer sagte nach seinem Auftritt in Karlsruhe, er habe sich sehr fair behandelt gefühlt. Merkel sei «überhaupt nicht kühl» gewesen.

 

Seehofer sagte mit Blick auf die CDU: «Ich bin froh um die Bereitschaft, zu reduzieren.» Auch die Warnung in dem CDU-Beschluss sei richtig, dass selbst ein so reiches Land wie Deutschland auf Dauer überfordert werden könnte. Zugleich mahnte er: «Ich gebe nichts auf, das haben Sie auch nicht von mir erwartet.»

 

Ohne eine Begrenzung, Rückführung oder Reduzierung der Flüchtlingszahl werde es nicht gelingen, das Problem klug, menschenwürdig und vernünftig zu lösen, sagte Seehofer. Ein Streit um Begriffe bringe aber nichts. «Die Bevölkerung interessiert allein die Tatsache, ob es uns gelingt, die Flüchtlingszahlen spürbar zu reduzieren. Und ob uns das nicht irgendwann, sondern in einem überschaubaren Zeitraum gelingt.»

 

Ohne die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) direkt zu nennen, erneuerte Seehofer das CSU-Versprechen, «rechts von der Union keine dauerhaft demokratisch legitimierte Partei» entstehen zu lassen. «Die rechten Dumpfbacken bekämpft man nicht mit ebenso dumpfen Parolen. Die Rechten bekämpfen sie nur, wenn sie die Probleme und Anliegen der bürgerlichen Bevölkerung lösen», sagte er.

 

Mit einem Parteitagsbeschluss will die CDU erreichen, dass die Nationalhymne im Grundgesetz verankert wird. Zudem sprechen sich die Christdemokraten für eine gesetzliche Impfpflicht für Kleinkinder aus. Die Bundesregierung soll demnach Pflichtimpfungen unter anderem gegen Diphtherie, Tetanus, Kinderlähmung, Keuchhusten, Mumps, Masern und Röteln und Windpocken einführen. (DPA)