Ein Stück weit grenzenlos: EU geht Zugangsbarrieren im Internet an

Verschiedene Musik-Apps auf einem iPad. Foto: Ole Spata
Verschiedene Musik-Apps auf einem iPad. Foto: Ole Spata

«Aus lizenzrechtlichen Gründen ist der Service in diesem Land nicht nutzbar»: Auf dem Computerbildschirm auftauchendende Nachrichten wie diese bringen urlaubende Internetnutzer regelmäßig zur Weißglut. Die EU-Kommission machte nun Vorschläge für neue Regeln. Zumindest bereits bezahlte Online-Dienste sollen künftig grenzüberschreitend nutzbar sein. Worum geht es genau? Die neuesten Serien, spannende Spielfilme oder Fußball-Übertragungen:

Wer einen schnellen Internetzugang hat, bekommt heutzutage alle möglichen TV-Inhalte aus dem Netz. Zum Ärger vieler Nutzer können sogenannte Video-Streamingdienste derzeit allerdings nur selten grenzüberschreitend genutzt werden. Das heißt, im Urlaub oder auf einer Dienstreise gucken Kunden in die sprichwörtliche Röhre. Und das auch wenn sie Geld für Abonnements zahlen.


Ist das Internet nicht eigentlich grenzenlos?


Das ist nur in der Theorie so. Um zu erkennen, in welchen Land sich ein Internetnutzer aufhält, können Unternehmen die sogenannten IP-Adressen nutzen. Diese werden vom jeweiligen Verbindungsanbieter vergeben, der eine Länderkennung in den Zahlencode integrieren muss. Damit werden ein Rückschluss auf den Standort und damit auch eine geografische Zugangsbeschränkung bei bestimmten Inhalten möglich.


Was soll sich ändern?


Künftig sollen Reisende innerhalb der gesamten EU unterwegs den gleichen Zugriff auf ihre Musik, Filme, E-Books und Spiele haben wie Zuhause. Einzige Voraussetzung ist, dass sie nicht dauerhaft aus ihrem Herkunftsland umgezogen sind.


Bislang wurden immer lizenzrechtliche Bestimmungen als Grund für geografische Zugangsbeschränkungen («Geoblocking») genannt. Ist das kein Thema mehr?


Aus Sicht der Brüsseler Behörde müssen Anbieter keine zusätzlichen Lizenzen erwerben, wenn sie Kunden mit festem Wohnsitz in ihrem Land einen grenzüberschreitenden Zugriff auf Angebote einräumen. Grundsätzlich gilt aber natürlich weiterhin: Wer Filme, Bücher oder andere Medien im Internet anbieten will, muss vom Rechteinhaber eine Lizenz erwerben. Wenn ein Streamingdienst für einen Hollywoodfilm nur die Lizenzrechte für Deutschland besitzt, darf er den Film nicht an Kunden in Großbritannien verkaufen oder verleihen.


Wird die Neuregelung dazu führen, das Internetnutzer für Streaming-Dienste und andere Online-Medien künftig mehr bezahlen müssen?


Nein, erklärt die EU-Kommission. Sie verweist darauf, dass die Service-Anbieter lediglich ihr System zur Benutzer-Authentifizierung umstellen müssten. Statt den Zugriff vom Ausland aus zu blockieren, könnten sie einen auf die Reisezeit begrenzten Zugriff zulassen. Die Kosten für die Umstellung dürften dadurch kompensiert werden, dass Streamingdienste und andere Angebote für die Kunden attraktiver werden. Nach Zahlen der EU-Kommission ist es für 60 Prozent der jungen Europäer (15-24 Jahre) wichtig, ob sie Online-Abo-Dienste grenzüberschreitend nutzen können oder nicht. Sie geht davon aus, dass diese Möglichkeit im Jahr 2020 von 72 Millionen EU-Bürgern genutzt werden dürfte. Heute wären es immerhin bereits 29 Millionen.


Ab wann sollen Online-Kunden von der Neuregelung profitieren?


Die EU-Kommission hofft auf eine Umsetzung 2017. Im selben Jahr fallen auch die Extragebühren für Handynutzung im Ausland weitestgehend weg. Damit die neue Verordnung in Kraft treten kann, müssen noch die Mitgliedstaaten zustimmen und auch das Europaparlament wird noch über sie diskutieren.


Welche Anbieter sind betroffen?


Alle, die in einem EU-Staat entsprechende Angebote machen. In Deutschland reicht die Liste von Internetunternehmen wie Amazon, Netflix und Apple bis hin zum klassischen Bezahlfernsehanbieter Sky.


Sind künftig auch die Streaming-Dienste von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern wie ARD und ZDF uneingeschränkt im EU-Ausland nutzbar?


Zumindest im ersten Schritt nicht. Das liegt an dem oben beschriebenen Rechteproblem. TV-Sender erwerben Lizenzen in der Regel nur für ihren Heimatmarkt. Der Rechteinhaber besteht dann oft darauf, dass der Zugang aus dem Ausland soweit wie möglich eingeschränkt wird. Deswegen sind manche Eigenproduktionen von TV-Sendern oft weltweit im Internet abrufbar - nicht aber eingekaufte Filme, Serien und Sportsendungen. Denkbar wäre, dass ARD und ZDF für deutsche Beitragszahler personalisierte Benutzerkonten einrichten. Über sie könnte dann eventuell mehr Sendungen aus dem Ausland abgerufen werden. Im kommenden Jahr werde es weitere Gespräche über das Thema geben, kündigte der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger an.


Wenn man unbedingt schon vor 2017 auf im Ausland gesperrte Mediendienste zugreifen will - gibt es einen Trick, das Geoblocking zu umgehen?


Ja, den gibt es. Sogenannte VPN-Anbieter (Virtual Private Network) können an Nutzer IP-Adressen mit der Länderkennung vergeben, die diese gerade benötigen. Wenn ein deutscher Urlaub beispielsweise im Spanien-Urlaub einen Spielfilm bei einem Anbieter aus Deutschland sehen will, bekommt er via VPN eine deutsche IP-Adresse. (DPA)