Stoch will Ethikunterricht ab Klasse eins

Andreas Stoch. Foto: Bernd Weißbrod/Archiv
Andreas Stoch. Foto: Bernd Weißbrod/Archiv

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat für den Fall eines Wahlsiegs von SPD und Grünen angekündigt, Ethikunterricht ab Klasse eins einzuführen. «Die Wertevermittlung ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen», sagte Stoch der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Der Blick auf übergeordnete Fragen des menschlichen Zusammenlebens sei angesichts der Konflikte in der Welt und der wachsenden Terrorgefahr auch in der Schule unverzichtbar.

Grün-Rot hatte die Einführung von Ethikunterricht an den Grundschulen im Koalitionsvertrag festgeschrieben, aber unter Hinweis auf andere Schwerpunkte in dieser Legislaturperiode nicht umgesetzt. Stoch betonte, dass er gerne das Kultusressort weiter leiten würde, sollten Grüne und SPD nach der Wahl am 13. März 2016 weiterregieren.


Als weitere Projekte nannte Stoch, den Ganztagsbetrieb an weiterführenden Schulen auszubauen und die Grundschullehrer besser für den Umgang mit maximaler Unterschiedlichkeit der Schüler aus- und fortzubilden. Schulleitungen insbesondere an Grundschulen müssten entlastet werden durch mehr Zeit für Führungsaufgaben und an großen Schulen durch Schulverwaltungsassistenten.


Ethikunterricht wird derzeit in der Haupt-, der Realschule und im neunjährigen Gymnasium ab Klasse acht sowie im achtjährigen Gymnasium ab Klasse sieben als Alternative zu den zwei Stunden Religionsunterricht pro Woche angeboten. Der Verband Bildung und Erziehung hatte dies kritisiert. Denn auch junge Schüler müssten Raum haben, über Werte wie Freundschaft, Vertrauen, Toleranz und Rücksichtnahme zu sprechen.


Zudem will Stoch den islamischen Religionsunterricht weiter ausbauen. «Junge Muslime müssen die Möglichkeit haben, sich in der Schule differenziert mit ihrer Religion auseinanderzusetzen.»


Die Opposition kritisierte Stochs Pläne. «Kultusminister Stoch bevormundet die Eltern und missachtet deren Wunsch nach einer Schulbildung, die sich an den Schülerinnen und Schülern orientiert», sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Guido Wolf, am Sonntag in Stuttgart. Eltern sollten selbst entscheiden können, welches Angebot für ihr Kind richtig sei.


Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, nannte den Minister einen «scheinheiligen Patron». Stoch habe die Opposition dafür kritisiert, dass sie beim allgemeinbildenden Gymnasium Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 vorschlage. «Stoch erinnert mich an einen Brandstifter, der plötzlich so tut, als sei er der Feuerwehrmann», sagte Rülke. Die SPD habe beim neunjährigen Gymnasium «die Rolle rückwärts» gemacht. «CDU und FDP hätten niemals die Landschaft der allgemeinbildenden Gymnasien wieder für G9 geöffnet, wenn es keinen Regierungswechsel gegeben hätte», so Rülke.


Grün-Rot hatte in der ablaufenden Legislaturperiode etliche große Reformen - von der Gemeinschaftschule bis hin zur freien Schulwahl für Eltern mit behinderten Kindern - eingeführt. «Jetzt heißt es, die Neuerungen wirken zu lassen, Rückmeldungen einzuholen und wo nötig nachzusteuern.» Reformen bräuchten acht bis zehn Jahre, bis sie glatt liefen.


Scharf ging der Jurist mit der CDU ins Gericht. Deren Ankündigung im Wahlprogramm, den Eltern die Wahl zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium zu lassen, bedrohe die Balance im Schulsystem. Aus wahltaktischen Gründen setzen die Christdemokraten eine vernünftige Verteilung der Schüler auf Gymnasium und Real- und Gemeinschaftsschulen aufs Spiel.


Das Beispiel Hessen zeige, dass die freie Wahl die Übergangszahlen auf die neunjährigen Züge (G9) explodieren lasse. «Einen solchen Anstieg der Schülerzahlen müssten die Gymnasien auch erst einmal verkraften. Zudem führt dieser Sog auch dazu, dass Schüler an den anderen Schularten wieder verstärkt der Eindruck bekommen, es «nicht geschafft» zu haben.» Er resümierte: «Die flächendeckende Einführung des neunjährigen Gymnasiums wäre für Real- und Gemeinschaftsschule eine äußerst schwere Hypothek.» Derzeit wird der neunjährige Weg zum Abitur nur in 44 Versuchsschulen angeboten.


Wichtiger als G9 zu propagieren, sei es die Probleme des einst von der CDU eingeführten achtjährigen Gymnasiums (G8) zu beheben, betonte Stoch. Die wesentlichen Unterschiede zwischen G8 und G9 seien weder bei Differenzen in Leistung oder Freizeitverhalten zu finden, sondern beim subjektiven Belastungsempfinden der Schüler. «Von einem Teil der G8-Schüler wird der Druck als belastend erfahren.»


Die Arbeitsgruppe Gymnasium 2020 hatte sich diesem Thema gewidmet und unter anderem ein Mentorensystem für regelmäßige Rücksprache zwischen Lehrern und Schülern vorgeschlagen; zudem soll vertiefender Unterricht in Klasse zehn den Übergang in die zweijährige Kursstufe reibungsloser gestalten. «Diese Anregungen eignen sich, den Stress der Schüler abzumildern», sagte Stoch. Entgegen Mutmaßungen, Grün-Rot wolle das Gymnasium mittelfristig abschaffen, beteuerte Stoch: «Das Gymnasium war und ist für mich ein fester Bestandteil des baden-württembergischen Bildungssystems und wird das auch in Zukunft bleiben.» (DPA/LSW)