Streit über Spielräume in der Bildungspolitik

Grün-Rot und Opposition haben sich im Landtag gegenseitig vorgeworfen, Lehrern, Eltern und Kommunen zu wenig bildungspolitische Spielräume zu geben. «Pädagogische Freiheit - Fehlanzeige», zog der CDU-Bildungsexperte Georg Wacker Bilanz nach fast fünf Jahren grün-roter Schulpolitik. Grüne und Sozialdemokraten hingegen wiesen am Donnerstag im Landtag die Vorwürfe zurück und auf Versäumnisse der Vorgängerregierung hin. Die Opposition habe keine Antworten auf Herausforderungen wie rückläufige Schülerzahlen und die wachsende Unterschiedlichkeit der Schüler. Sie wolle das Rad in der Bildungspolitik zurückdrehen.

Wacker monierte, es fehle ein flexibles freiwilliges Ganztagsangebot an Grundschulen; dieses gebe es nur verpflichtend. Aber: «Eltern können selbst entscheiden, was ihrem Kind gut tut.» Der Bildungssprecher der FDP, Timm Kern, konstatierte: «Es hat in der Geschichte Baden-Württembergs noch keine Landesregierung gegeben, die die Freiheit des Bildungswesens mehr beschnitten hat als Grün-Rot.» Die Liste reiche vom Verbot von leistungsdifferenzierten Kursen in der Realschule über die Weigerung, die Grundschulempfehlungen den weiterführenden Schule bekanntzugeben, bis hin zum Ausbluten der Sonderschulen. Während die Koalition auf «eine Schule für alle» hinarbeite, stehe die FDP für die passende Schule für jedes Kind. Kern forderte erneut einen parteiübergreifenden «Schulfrieden für Freiheit und Eigenverantwortung vor Ort».


Die Kritik der Opposition ist aus Sicht des SPD-Bildungsexperten Stefan Fulst-Blei zynisch. Unter der Regierung von CDU und FDP hätten Eltern die «Freiheit» gehabt, die teuerste Nachhilfe in ganz Deutschland für ihre Kinder im mehrgliedrigen Schulsystem zu zahlen. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) fügte hinzu: «Bürgermeister und Gemeinderäte hatten den Freiraum, Schulstandorte zu schließen.» Ihnen seien keine Möglichkeiten eröffnet worden, auf die demografische Entwicklung zu reagieren. Dagegen habe Grün-Rot mit der regionalen Schulentwicklung und dem Konzept der Gemeinschaftsschule Schulstandorte im ländlichen Raum gerettet.


Die Eltern behinderter Kinder hätten unter Schwarz-Gelb als «Bittsteller» zum Schulamt kommen müssen, wenn sie ihren Nachwuchs in eine allgemeine Schulen schicken wollten, sagte Stoch. «Sprechen sie mal mit diesen Eltern, die diese «Freiräume» damals von CDU und FDP hatten.» Seit diesem Schuljahr haben die Eltern die Wahlfreiheit zwischen allgemeiner und Sonderschule. Auch für die Grüne Sandra Boser haben CDU und FDP keinen Grund, sich als Hüter der Freiheit aufzuspielen. Sie hätten sich stets geweigert, Anträge auf Einrichtung von Gemeinschaftsschulen zu genehmigen, und damit keinerlei Akzeptanz für pädagogische Freiräume gezeigt. (DPA/LSW)