Grüne Jugend entfacht Bildungsstreit - Anpfiff der Mutterpartei

Die Forderung der Grünen Jugend sorgt bei der Opposition für Kritik. Foto: Marijan Murat/Archiv
Die Forderung der Grünen Jugend sorgt bei der Opposition für Kritik. Foto: Marijan Murat/Archiv

Die Grüne Jugend pocht auf die langfristige Abschaffung des Gymnasiums und hat wenige Monate vor der Landtagswahl einen Bildungsstreit ausgelöst. Die Grünen als Mutterpartei gingen auf Distanz und erklärten, sie hielten klar an der Schulform fest. Der Vorstoß der Jugendorganisation sei wenig zielführend, hieß es. CDU und FDP sehen sich angesichts der Forderung der Grünen Jugend zum Aus für das Gymnasium in ihrer Kritik an der Bildungspolitik von Grün-Rot bestätigt.

Die Junge Union forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf, für Klarheit zu sorgen.


Die Landessprecherin der Grünen Jugend, Lena Schwelling, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir wollen wirklich eine Schule für alle.» Im Zwei-Säulen-Modell von Grün-Rot mit Gymnasium und Gemeinschaftsschule werde sich letztere unweigerlich zu Restschule entwickeln, wenn das Gymnasium als Konkurrenz bestehenbleibe, sagte die 23-Jährige anlässlich des Parteitages der Grünen Jugend in Stuttgart (6. bis 8. November). Kretschmann hatte dagegen oft gesagt: «Wer sich am Gymnasium vergreift, überlebt das politisch nicht.»


Die Grünen-Landesvorsitzende Thekla Walker betonte, die Grünen wollten das Gymnasium nicht abschaffen. Für die Grünen stehe fest, «dass wir in der Bildungspolitik Kurs halten - und dazu gehört ein starkes Gymnasium». Die bildungspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Sandra Boser, sagte: «Was die Grüne Jugend will, ist nicht unser Ziel.» SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel sagte: «Wenn die Grüne Jugend das Gymnasium schleifen will, muss sie sich einen anderen Koalitionspartner suchen. Mit der SPD ist das nicht zu machen.»


Der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg, Thomas Strobl, warf Grün-Rot ein falsches Spiel in der Bildungspolitik vor der Wahl vor. «Die grün-rote Bildungspolitik zielt darauf, das Gymnasium zu schleifen. Die Grüne Jugend spricht nur aus, was das wirkliche Ziel der grünen Bildungsideologen ist (...)», sagte Strobl. FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte, die Beteuerungen von Kretschmann, er strebe ein Zwei-Säulen-System aus Gymnasium und Gemeinschaftsschule an, diene nur der Besänftigung der Bürger vor der Landtagswahl 2016.


Der Vorsitzende der Jungen Union in Baden-Württemberg, Nikolas Löbel, forderte Kretschmann auf, die Haltung der Grünen klarzustellen. «Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann muss umgehend für Klarheit sorgen, ob die Grünen tatsächlich das Gymnasium abschaffen werden, denn die Menschen haben ein Recht auf die Wahrheit vor dem Wahltag.» Löbel sprach von grüner Kuschelpädagogik. «Wenn die Grünen tatsächlich das Gymnasium und das Sitzenbleiben abschaffen wollen, dann werden wir die Landtagswahl über eine Volksabstimmung über die Zukunft des Gymnasiums machen. Und wir werden diese Wahl gewinnen.»


Schon vor einem halben Jahr hatte die Grüne Jugend den Beschluss zur Abschaffung des Gymnasiums getroffen. Er soll als Änderungsantrag zum Wahlprogramm beim Grünen-Parteitag am 12. und 13. Dezember in Reutlingen eingebracht werden.


Überdies soll nach Meinung der Grünen Jugend eine Kindergartenpflicht für Kinder ab drei Jahren eingeführt werden. Als Gründe nannte Landessprecherin Schwelling die vielfältigen Kontakte für die Kinder, die Vorbereitung auf die Schule und für die Migranten die frühe sprachliche und soziale Integration. Eine Kindergartenpflicht lehnte die Grünen-Landessprecherin Walker ebenfalls ab.


Auch bei der Asylpolitik ist die Jugendorganisation nicht auf einer Linie mit der Mutterpartei. Nach Schwellings Ansicht ist die rote Linie bei der auch von den baden-württembergischen Grünen mitgetragenen Anerkennung sicherer Herkunftsländer überschritten. Dem von Innenminister Reinhold Gall (SPD) angekündigten verschärften Kurs bei den Abschiebungen hatte die Grüne Jugend kürzlich ebenfalls eine Absage erteilt. (DPA)