Justizminister will Amtsgerichte stärken: Kürzere Wege für Bürger

Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Foto: Wolfram Kastl
Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Foto: Wolfram Kastl

Bei Ärger mit dem Gericht sollen es die Bürger im Südwesten künftig deutlicher einfacher haben als bisher. Dazu will Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) erreichen, dass zivile Verfahren mit geringem Streitwert wieder vermehrt von Amtsgerichten ausgetragen werden. Als Vorsitzender der Justiz-ministerkonferenz regte der frühere Richter am Mittwoch im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart an, den Streitwert für die Zuständigkeit der untersten Gerichts-ebene von 5000 auf 7500 Euro anzuheben.

Dies würde bedeuten, dass die Landgerichte erst ab einem Streitwert von 7500 Euro zuständig wären und nicht schon ab 5000 Euro.


Für den Bürger würde dies kürzere Anfahrtswege und geringere Kosten bedeuten, weil vor dem Amtsgericht - im Gegensatz zum Landgericht - kein Anwaltszwang herrscht. Bei den Verfahren geht beispielsweise um gewerbliche Mietstreitigkeiten, Zwist nach Verkehrsunfällen und Zoff nach einem Gebrauchtwagenkauf. Klassischerweise sind sie eigentlich bei den Amtsgerichten angesiedelt.


Doch entscheidend ist der Streitwert. Er wurde zuletzt 1993 festgelegt und beträgt 5000 Euro. Seitdem ist die Inflationsrate nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aber um mehr als 44 Prozent gestiegen. «Wenn man diese Inflationsrate auch dem Zuständigkeitswert zugrunde liegen würde, müsste er heute bei 7393 Euro, gerundet also 7500 Euro, liegen», sagte Stickelberger. Da dieser Streitwert aber nicht angepasst wurde, kam den 108 Amtsgerichten in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Verfahren abhanden.


Das soll sich nun ändern nach dem Willen des Ministers - und zwar bundesweit. Den Vorschlag will er am 12. November bei der Herbstkonferenz der Justizminister der Länder in Berlin diskutieren und hofft auf Zuspruch. Der Vorsitzende des baden-württembergischen Richterbundes, Matthias Grewe, sagte, über eine Anhebung des Streitwertes auf 7500 Euro lasse sich reden. Wenn allerdings mehr Verfahren an die Amtsgerichte geschoben würden, müsse auch das Personal entsprechend aufgestockt werden.


2005 gingen bei der untersten Gerichtsebene in Baden-Württemberg rund 143 500 Verfahren ein. Im vergangenen Jahr waren es aber nur noch rund 116 000 Fälle bei den Amtsgerichten. Im Gegenzug landen nach Stickelbergers Angaben bei den Landgerichten vermehrt Verfahren, die dort eigentlich nicht hingehörten. Baden-Württemberg will erreichen, dass die Justizminister des Bundes und der Länder bei ihrem Treffen am Donnerstag kommender Woche eine Arbeitsgruppe einsetzen, die die Anhebung des Streitwertes für die Amtsgerichte prüfen. Geändert werden müsste das per Bundesgesetz.


Die Arbeitsgruppe soll dabei untersuchen, welche Folgen die Anpassung des Streitwertes hätte. So müssten die Amtsgerichte wohl personell gestärkt werden - vielleicht wären auch neue Räume notwendig. Hingegen könnten die höheren Gerichte Personal verlieren. Nicht begeistert sein dürfte die Anwaltschaft, wie Stickelberger einräumte. «Die meisten Bürger lassen sich zwar auch vor dem Amtsgericht anwaltschaftlich vertreten, aber sie müssen es nicht», sagte der 64-Jährige. Bei der Prüfung des Themas soll die Anwaltschaft aber mit einbezogen werden. (DPA/LSW)