Streit über Flüchtlingspolitik geht weiter

Neu eingetroffene Flüchtlinge warten nahe der oberösterreichischen Ortschaft Hanging auf ihre Nummerierung und den anschließenden Grenzübertritt nach Deutschland. Foto: Peter Kneffel
Neu eingetroffene Flüchtlinge warten nahe der oberösterreichischen Ortschaft Hanging auf ihre Nummerierung und den anschließenden Grenzübertritt nach Deutschland. Foto: Peter Kneffel

In der großen Koalition lässt der Streit über die Flüchtlingspolitik nicht nach. «Die SPD hat die Realität in der Flüchtlingsfrage scheinbar völlig verloren und sich nicht einmal auf einen Minimalkompromiss verständigen können», sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU), der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach (CDU) forderte unterdessen ein Ende des Koalitionszwists und eine Rückkehr zur Sacharbeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte ihren Kurs an der CDU-Basis. Auch dort rumort es.

«Schaffen wir das?», wurde Merkel am Montagabend nicht nur einmal von Kritikern unter den rund 1800 Teilnehmer einer CDU-Regionalkonferenz in Darmstadt gefragt. Die Sorge vor einem Rechtsruck in Deutschland machte die Runde, ein CDU-Mitglied sprach sogar von Angst vor einem Bürgerkrieg. Konkrete Antworten von der Politik forderten die meisten Redner.


Nachdenklich, konzentriert und energisch ging Merkel auf die Kritik ein. Gerade weil Deutschland ein wirtschaftlich so starkes Land sei, müssten positive Signale gesendet werden. «Wir müssen einen langen Atem haben und Schritt für Schritt vorgehen», betonte die Kanzlerin und erinnerte an die Euro-Krise. «Ich verstehe das und ich will nichts verniedlichen», sagte Merkel zu den vielen Sorgen. Sie appellierte aber daran, nicht die Menschenwürde der vom Krieg gebeutelten Flüchtlinge zu vergessen.

Die Flüchtlingspolitik beschäftigt an diesem Dienstag auch die Bundestagsfraktionen. Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wollen in der Unionsfraktion das am Sonntag von den Partei- und Fraktionsspitzen von CDU und CSU verabschiedete Positionspapier vorstellen. Auch in der SPD wird eine intensive Diskussion erwartet. Nach dem gescheiterten Flüchtlingsgipfel der Koalitionsspitzen dürfte der Streit über die von der Union verlangten Transitzonen im Mittelpunkt stehen. Die SPD lehnt «riesige Haftzonen» ab, in der Union wird betont, solche seien ohnehin nicht geplant.


Nach einer turbulenten Fraktionssitzung mit ungewöhnlich deutlicher Kritik am Kurs von Merkel vor drei Wochen wird mit Spannung erwartet, wie die Stimmung unter den 310 Abgeordneten von CDU und CSU ist.


Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU), sagte der dpa in Berlin, das Positionspapier der Unionsspitzen zur Ordnung und Steuerung der Zuwanderung diene als Vorlage für die Diskussion Abgeordneten. «Die Vorlage eines weiteren Diskussionspapiers oder eines Antrags ist deshalb nicht mehr nötig.» Von Stetten hatte kürzlich gedroht, in der Fraktion würden Anträge vorbereitet, um die Regierung aufzufordern, den Flüchtlingsandrang zu begrenzen, falls nicht gehandelt werde.


Bosbach sagte der dpa über die Auseinandersetzungen in der Koalition und zwischen CDU und CSU: «Die Menschen wollen nicht wissen, worüber man in der Union und der Koalition streitet, sondern welche Maßnahmen der Bund ergreift, um die Probleme angesichts der anhaltend hohen irregulären Migration rasch zu lösen.» Auf die Frage, ob eigene Vorschläge der Fraktion zur Begrenzung der Zuwanderung notwendig seien, sagte er: «Wir sollten jetzt erst mal abwarten, welche Ergebnisse am Donnerstag erzielt werden.»


Merkel, Gabriel und Seehofer wollen an diesem Donnerstag einen neuen Anlauf für gemeinsame Maßnahmen zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs nehmen. (DPA)