Kunsthalle Karlsruhe zeigt Blicke aufs Ich

«Unvertrautes Spiegelbild» (2006) von Ken Currie. Foto: Uli Deck
«Unvertrautes Spiegelbild» (2006) von Ken Currie. Foto: Uli Deck

Schon vor Eintritt in die Ausstellungssäle wird klar, worum es geht: Ein Passbild-Automat steht links vom Eingang, und wer mag, geht kurz in die Kabine, zieht den Vorhang zu, macht ein Bild von sich und wird in der Karlsruher Kunsthalle flugs selbst zum Teil der am 31. Oktober beginnenden Ausstellung. «Ich bin hier! Von Rembrandt zum Selfie» heißt die Schau, die sich das Selbstporträt als Thema vorgenommen hat - und das gleich mit zwei anderen europäischen Museen.

Das Musée des Beaux-Arts in Lyon und die National Galleries of Scotland in Edinburgh sind Partner bei dem Drei-Länder-Kunstereignis. Die Kunsthalle Karlsruhe macht den Auftakt, bevor die Exponate in die anderen Museen weiterreisen. Rund 140 Werke aus sechs Jahrhunderten sind vertreten und stammen etwa zu gleichen Teilen aus den Beständen der drei Museen. Wie vielfältig die Möglichkeiten sind, sich selber darzustellen, zeigen die Gemälde, Zeichnungen, Fotos und Videoinstallationen der rund 100 für die Schau ausgewählten Künstler sehr deutlich.


Im klassischen Selbstbild malt sich der Künstler mit direktem Blick in Richtung Betrachter: Klar und direkt sieht etwa Simon Vouet seinem Gegenüber in die Augen. Die Locken zerzaust, die leicht verquollenen Augen rot umrändert zeigt sich der französische Maler um 1626 schonungslos und mit wächsernem Teint als Lebemann. Rembrandt, der sich schier unendlich oft porträtierte, erwidert den Blick ins Bild ebenso geradeheraus und schaut mit gerunzelter Stirn und einer Mischung aus Skepsis und Überheblichkeit zurück.


Gebrochen und weniger direkt ist die Selbstbetrachtung beim schottischen Künstler Ken Currie von 1960: Er präsentiert sich nackt, mit abgewandtem Gesicht und einer Palette vor dem Geschlecht einmal matt im mannshohen Spiegel reflektiert und gleichzeitig vor der Staffelei stehend. Der Betrachter ist nur noch mittelbar angesprochen. Nur noch bei genauem Hinsehen wahrnehmbar sind Selbstbildnisse, wie das des Malers Abraham van Beyeren, der sein Gesicht um 1660 in einem Stillleben versteckt und nur gespiegelt in einer prunkvollen Messingkanne preisgibt.


Bilder des 20. und 21. Jahrhunderts sind vertreten mit expressionistischen Selbstporträts von Ernst Ludwig Kirchner oder Erich Heckel über eine Video-Installation der Performance-Künstlerin Marina Abramovic bis hin zum chinesischen Künstler Ai Weiwei: In lebensgefährlicher Situation schoss er 2009 in einem Aufzug, in dem ihn Polizisten aus einem Hotel holten und ins Gefängnis schafften, ein Selfie. Über Twitter seinerzeit in Windeseile verbreitet wurde so die Verhaftung des prominenten Künstlers publik. Das politische Selfie als Lebensretter.


Auch junge unbegleitete Flüchtlinge haben sich von Werken der Kunsthalle inspirieren lassen und zeigen sich mal im Profil, mal mit verschränkten Armen vor der Handy-Kamera aufgepflanzt: Die Junge Kunsthalle begleitet die Hauptschau mit der kleinen Ausstellung «Selfies», die sich der Selbstinszenierung von Jugendlichen widmet. Mal spontan aufgenommen, mal kunstvoller inszeniert, mal als Eatie mit dem Lieblingssnack, Jobie vom Arbeitsplatz, Liquie mit dem Lieblingsdrink, Petie mit dem Haustier.


Zum Abschluss von «Ich bin hier! Von Rembrandt zum Selfie» schließt sich der Kreis. Das eigene, am Anfang im Automaten gemachte Foto verfolgt den Besucher zunächst auf Monitoren im Inneren des Museums und fängt ihn schließlich wieder ein. Er stellt sich am Schluss vor eine Projektionsfläche. Seine Umrisse nehmen pixelhaft Gestalt, kommen immer näher, bis aus den Pixeln schließlich wieder leinwandgroß die Fotos erkennbar werden, die die Besucher am Anfang gemacht haben. (DPA)