OB-Kandidatin Reker gewinnt nach Attentat Wahl in Köln

Auf einer Infotafel am Wochenmarkt in Köln-Braunsfeld wurden Genesungswünsche für Henriette Reker angebracht. Foto: Monika Skolimowska
Auf einer Infotafel am Wochenmarkt in Köln-Braunsfeld wurden Genesungswünsche für Henriette Reker angebracht. Foto: Monika Skolimowska

Einen Tag nach einem Mordanschlag auf die Kölner Sozialdezernentin Henriette Reker ist die parteilose Politikerin zur neuen Oberbürger-meisterin der Domstadt gewählt worden. Die 58-Jährige setzte sich gleich im ersten Wahlgang gegen sechs weitere Bewerber durch und erreichte mit 52,7 Prozent die absolute Mehrheit - während sie in einer Klinik im künstlichen Koma lag. Reker ist die erste Frau auf dem Chefsessel im Rathaus der viertgrößten Stadt Deutschlands. Wann sie ihr Amt antreten kann, ist unklar.

Am Samstag war Reker bei einer Wahlkampfveranstaltung von einem 44-Jährigen mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden. Ein Richter erließ inzwischen Haftbefehl wegen versuchten Mordes gegen den mutmaßlichen Täter, der laut Polizei fremdenfeindliche Motive nannte.


Reker ist derzeit als Sozialdezernentin für die Unterbringung von Flüchtlingen in Köln zuständig. Bei der Wahl wurde sie unterstützt von CDU, FDP und den Grünen. Ihr SPD-Kontrahent Jochen Ott lag bei 32,0 Prozent. Schon bei den NRW-Oberbürgermeisterwahlen vor wenigen Wochen hatte die SPD ihre Hochburgen Oberhausen und Bonn an die CDU verloren.


Während Rekers Unterstützer im Rathaus den Wahlsieg feierten, teilten die behandelnden Ärzte mit, dass sich der Gesundheitszustand des Anschlagsopfers positiv entwickele. Ein Sprecher Rekers sprach von einer «langsamen Aufwachphase» aus dem künstlichen Koma. Aus dem Umfeld der Politikerin hieß es, ihr Ehemann bringe ihr den Sieg schonend am Krankenbett bei.


Wann Reker ihre Arbeit als Stadtoberhaupt beginnen kann, steht noch nicht fest. Die Ärzte betonten: «Der Heilungsverlauf nimmt bei einer Verletzung dieser Art üblicherweise eine gewisse Zeit in Anspruch.»


Der mutmaßliche Angreifer war bei seiner Tat auf dem Wochenmarkt voll schuldfähig. Das ergab inzwischen ein psychologisches Gutachten, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Er habe ausgesagt, in den 1990er Jahren in der rechten Szene aktiv gewesen zu sein, Details habe er aber nicht genannt, teilten die Ermittler weiter mit.


Der Rechtsextremismus-Forscher Professor Hajo Funke wies im Gespräch mit dem Kölner «Express» (Montag) auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den fremdenfeindlichen Bewegungen der letzten Monate und derartigen Taten hin. «Pegida war der Katalysator für eine neu entstandene Stimmung der Verrohung, für eine Schwemmung der Ressentiments und eine Absenkung der Hemmschwelle. Durch diese Stimmung werden Taten wie in Köln gefördert», sagte er.


Insgesamt waren mehr als 800 000 Menschen in Köln aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Die Wahlbeteiligung lag bei 40,3 Prozent. 2009 stimmten 49,1 Prozent ab - damals wurde mit SPD-Mann Jürgen Roters jedoch nicht nur ein neuer OB gewählt, gleichzeitig stand auch die Kommunalwahl an.


Zahlreiche Politiker gratulierten Reker zur Wahl. «Eine couragierte und mutige Frau hat gewonnen und noch dazu eine Parteilose, das hat Strahlkraft und Auswirkungen für das Land», sagte der NRW-Vorsitzende der Grünen, Sven Lehmann. «Ich glaube, dass sie aus Überzeugung gewählt wurde, nicht aus Mitleid.»


FDP-Parteichef Christian Lindner betonte, Reker werde OB, weil sie «glaubhaft einen Neuanfang für Köln verkörpert, der alte Seilschaften überwindet.» Die CDU hoffe nun auf einen schnellen Politikwechsel, sagte der Bundesvize und NRW-Parteichef Armin Laschet.


Wie in anderen NRW-Kommunen sollte auch in Köln eigentlich schon Mitte September gewählt werden. Die Bezirksregierung hatte aber die Stimmzettel beanstandet, das Votum wurde verschoben. (DPA)