Europa schließt Steuerschlupflöcher für Großkonzerne

Nach der «Luxleaks»-Affäre um Steuervorteile in Luxemburg reagiert Europa. Umstrittene Steuer-Vorbescheide werden nun unter den Mitgliedstaaten ausgetauscht. Foto: Daniel Reinhardt/Archiv
Nach der «Luxleaks»-Affäre um Steuervorteile in Luxemburg reagiert Europa. Umstrittene Steuer-Vorbescheide werden nun unter den Mitgliedstaaten ausgetauscht. Foto: Daniel Reinhardt/Archiv

Großkonzerne haben es künftig in Europa schwerer, Gewinne über Grenzen hinweg zu verschieben und damit Steuern zu vermeiden. Die EU-Finanzminister verständigten sich am Dienstag in Luxemburg einstimmig auf ein neues Gesetz, das erstmals einen Austausch von sogenannten Steuer-Vorbescheiden für Unternehmen ermöglicht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lobte den neuen Informationsaustausch zu den «Tax-Rulings» als «eine schnelle Lösung in kurzer Zeit». 

Beim dem zweiten großen Thema der Konferenz, der Berücksichtigung von hohen Flüchtlingskosten bei der EU-Haushaltskontrolle, machte Schäuble deutlich, er befürchte keine Aufweichung des Euro-Stabilitätspaktes.


Nach den «Luxleaks»-Medienenthüllungen über Praktiken in Luxemburg waren die Vorbescheide zwischen nationalen Steuerbehörden und Unternehmen im vergangenen Jahr in die Kritik geraten. Inzwischen prüft die EU-Kommission Vorbescheide in vielen Mitgliedstaaten, auch in Deutschland.


Das Gesetz soll vom 1. Januar 2017 an gelten. Es werden dabei grundsätzlich gültige Steuer-Vorbescheide rückwirkend bis zum 1. Januar 2012 erfasst, sagte der amtierende EU-Ratsvorsitzende, Luxemburgs Ressortchef Pierre Gramegna. Um diesen Punkt hatte es lange Streit gegeben. Für Mittelständler mit einem Jahresumsatz von bis zu 40 Millionen Euro kann es Ausnahmen beim Austausch geben. Jedes Jahr gehen den öffentlichen Kassen laut EU-Kommission Milliardenbeträge durch Steuervermeidung verloren.


Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold kritisierte, die Kommission sei bei dem vereinbarten Austausch von entscheidenden Informationen abgeschnitten. «Um Steuerdumping zu entdecken und zu ahnden, muss die EU-Kommission den Inhalt des Steuervorbescheids und den Namen des Unternehmens kennen» - das sei aber nicht gewährleistet.


Schäuble wies auch auf den jüngsten 15-Punkte-Plan der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegen Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen hin. Damit sollen legale Schlupflöcher, die globale Konzerne wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks zur Senkung ihrer Steuerlast nutzen, gestopft werden.


Die Kommission hatte im Juni einen Aktionsplan zur Steuerpolitik vorlegt. Demnach sollen Konzerne ihre Gewinne dort versteuern, wo sie anfallen. Der US-Versandhändler Amazon reagiert bereits und versteuert in Europa Gewinne in einzelnen Ländern, auch in Deutschland.


Zu den Flüchtlingskosten sagte Schäuble: «Eigentlich geben die Regeln genügend Spielraum, um im Einzelfall angemessen darauf zu reagieren.» Österreich hatte explizit eine Berücksichtigung bei der Brüsseler Haushaltskontrolle gefordert. Schäuble äußerte dafür Verständnis - das schließe aber nicht alle Länder mit ein. Laut Diplomaten sind auch Italien und Luxemburg auf dem Wiener Kurs. Die EU-Kommission wird bald die Haushaltsentwürfe der EU-Staaten für das kommende Jahr beurteilen.


«Es gibt keinen Grund, die Regeln zu ändern», sagte Schäuble. Mit Blick auf die Debatte um eine mögliche Aufweichung des Paktes fügte er hinzu: «Nach den Beratungen(...) sehe ich die Gefahr nicht mehr.» Das Thema scheine «ganz gut erledigt zu sein». Der Pakt schreibt vor, dass Staaten die Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einhalten müssen, bei der gesamtstaatlichen Verschuldung gilt die Marke von 60 Prozent. (DPA)