Experten: Versicherer werden VW nur einen Bruchteil ersetzen

Selbst wenn VW weitere Millionen direkt von verantwortlichen Managern hereinholt, bliebe die Summe weit unter dem geschätzten Schaden von 6,5 Milliarden Euro. Foto: Peter Endig/Archiv
Selbst wenn VW weitere Millionen direkt von verantwortlichen Managern hereinholt, bliebe die Summe weit unter dem geschätzten Schaden von 6,5 Milliarden Euro. Foto: Peter Endig/Archiv

Nach dem Abgas-Skandal sucht der VW-Konzern nach den Verantwortlichen für die Manipulation. Eine wichtige Rolle spielt dabei die sogenannte D&O-Versicherung, die Manager bei Verfehlungen und Versäumnissen vor Regressforderungen ihrer Arbeitgeber schützen soll. Experten rechnen aber damit, dass die Versicherer VW nur einen Bruchteil des milliardenschweren Schadens erstatten. Die wichtigsten Fragen und Antworten: Was ist die D&O-Versicherung?


Fehler und Versäumnisse in der Chefetage können gerade in großen Unternehmen immense Schäden nach sich ziehen. Vorstände und Aufsichtsräte haften dafür, was in ihrem Verantwortungsbereich geschieht. Großkonzerne, aber auch viele mittelständische Unternehmen sichern ihre Spitzenkräfte daher mit einer Directors- and Officers-Versicherung (D&O) ab. Sonst müssten die Manager Schadenersatzforderungen ihres Arbeitgebers aus ihrem Privatvermögen begleichen. VW beziffert den Schaden aus dem Abgas-Skandal bislang auf 6,5 Milliarden Euro. Zudem droht dem Autobauer in den USA ein Bußgeld von bis zu 18 Milliarden US-Dollar. Solche Summen könnten selbst Spitzenmanager nicht aufbringen. Auch Versicherer teilen sich die Last: Bei Deckungen für Großkonzerne sind gleich mehrere von ihnen mit im Boot, bei VW unter anderem die Allianz und laut «Börsen-Zeitung» der Schweizer Versicherer Zurich.


Deckt die Versicherung jeden Schaden ab, den Manager anrichten?


Die Manager-Haftpflichtversicherung steht für Vermögensschäden gerade, die Vorstände oder Aufsichtsräte durch Fehler im Unternehmen anrichten. Dies können Kosten sein, die dem Unternehmen direkt entstehen - etwa Schadenersatzzahlungen an geschädigte Kunden. Oder ein Imageschaden, der erst in Zukunft auf Umsatz und Gewinn drückt. Selbst Bußgelder, wie sie VW in den USA drohen, seien in guten Policen mit versichert, sagt D&O-Makler Michael Hendricks aus Düsseldorf. In bestehenden Policen im Markt seien diese aber oft ausgeklammert, sagt Marcel Roeder, der Chef der D&O-Versicherung des Maklers Aon in Hamburg. Die Verlagerung von Bußgeldern auf Manager oder deren Versicherung sei auch haftungsrechtlich umstritten, da die Strafe dann ihre Wirkung verfehle. Auch für wissentlich verursachte Verstöße steht die Versicherung nicht gerade.


Zahlt die Versicherung unbegrenzt?


Nein. Laut Roeder liegen die Deckungssummen selbst bei Dax-Konzernen häufig nicht über 350 bis 400 Millionen Euro. Hendricks hält bei VW auch 500 Millionen Euro für möglich, der Konzern äußert sich nicht dazu. Allerdings wäre selbst diese Summe bei VW nur ein «Tropfen auf den heißen Stein», wie Hendricks sagt. Zudem gingen davon die Kosten für die Anwälte der Manager ab, gegen die VW Regress anmeldet. «Auf dieser Ebene entstehen dabei zig Millionen an Anwaltskosten.» Für die Begleichung des Schadens bleibe damit noch weniger übrig.


Was ist, wenn Manager und Aufsichtsräte tatsächlich nichts von den Manipulationen gewusst haben?

Unwissenheit schützt vor Schaden nicht - zumindest nicht im Management. «Der Vorstand muss in Deutschland nachweisen, dass er pflichtgemäß und nicht schuldhaft gehandelt hat», sagt Roeder. Der wegen des Skandals abgetretene VW-Vorstandschef Martin Winterkorn hat beteuert, von den Tricks bei den Abgastests nichts gewusst zu haben. Allerdings müssten Vorstände ihr Unternehmen so organisieren, dass gravierende Fehler nicht passieren oder zumindest rechtzeitig nach oben gemeldet werden. Aufsichtsräte müssen wiederum den Vorstand kontrollieren. Jeder Verstoß des Vorstands könne zu einem D&O-Fall für den Aufsichtsrat werden, wenn dieser nicht ausreichend nachgehakt habe, sagt Hendricks.


Wann kann VW mit einer Klärung rechnen?


«Das kann Jahre dauern», sagt Hendricks. Allerdings drängten die Versicherer meist auf einen Vergleich mit den Beteiligten. Unternehmen und betroffene Manager wollten den Fall schnell vom Tisch und aus der Medienberichterstattung haben. «Interessant wird die nächste Hauptversammlung, wenn die Aktionäre Fragen stellen.» Hendricks erwartet, dass die Versicherer keineswegs den Schaden in Höhe der kompletten Deckungssumme übernehmen. Zudem müssten die Manager laut Aktiengesetz ein Zehntel des Schadens aus eigener Tasche bezahlen, ergänzt Roeder. Beim Anderthalbfachen des jährlichen Fixgehalts sei aber Schluss. Auf dem Großteil des Schadens dürfte VW daher sitzen bleiben. (DPA)