Tsipras will wieder mit Rechtspopulisten koalieren

Der alte ist der neue: Alexis Tsipras gewinnt die Wahl in Griechenland verständigte sich noch am Wahlabend mit dem Vorsitzenden der Unabhängigen Griechen (Anel), Panos Kammenos, auf eine Wiederauflage der Koalition. Foto: Yannis Kolesidis
Der alte ist der neue: Alexis Tsipras gewinnt die Wahl in Griechenland verständigte sich noch am Wahlabend mit dem Vorsitzenden der Unabhängigen Griechen (Anel), Panos Kammenos, auf eine Wiederauflage der Koalition. Foto: Yannis Kolesidis

Überraschend deutlich hat das Linksbündnis Syriza die Wahl in Griechenland gewonnen - und ihr Parteichef so die erstrebte Rückendeckung der Wähler bekommen. Nach Auszählung fast aller Stimmen lag die Syriza nach Angaben des Athener Innenministeriums vom Morgen bei 35,47 Prozent der Stimmen. Der größte Herausforderer, die Nea Dimokratia (ND) unter Evangelos Meimarakis, kam auf 28,09 Prozent. Tsipras verständigte sich noch am Wahlabend mit dem Vorsitzenden der Unabhängigen Griechen (Anel), Panos Kammenos, auf eine Wiederauflage der Koalition. 

Er könnte bereits heute als Ministerpräsident vereidigt werden. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem bezeichnete das Ergebnis im Kurznachrichtendienst Twitter als «starkes Mandat» der Wähler, um den Reformkurs des Landes fortzusetzen.


Das Land steht nach wie vor auf Messers Schneide. Die Wirtschaft ist seit 2010 um ein Fünftel geschrumpft. Jeder vierte Grieche ist arbeitslos. Fast jeder Zweite unter 25 hat keinen Job. Die Links-Rechts-Koalition hatte das Land bereits nach der Wahl im Januar für sieben Monate regiert, Tsipras hatte das dritte Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro mit den Geldgebern ausgehandelt. In den kommenden Jahren stehen im Gegenzug dafür weitere Spar- und Reformauflagen an.


Tsipras erklärte am Sonntagabend bei einer Rede im Zentrum Athens: «Griechenlands Volk hat uns ein klares Mandat gegeben, im In- und Ausland für den Stolz unseres Volkes zu kämpfen.» Griechenland habe wegen des Sparprogrammes schwierige Zeiten vor sich, erklärte Tsipras. Um aus der Krise zu kommen, gebe es keine «magischen» Lösungen. «Wir werden aber die sozial Schwachen schützen», sagte er, ließ aber offen, was genau damit gemeint ist.


Vor der Wahl hatten Umfragen ein deutlich knapperes Rennen zwischen Linken und Konservativen vorausgesagt, auch in der ersten Prognose am Wahlabend war nur von einem hauchdünnen Vorsprung für Syriza die Rede. Nun weicht das Ergebnis wohl nicht deutlich vom Januar ab - und das trotz der politischen Kehrtwende die Tsipras seither vollzogen hat. Bei der Parlamentswahl Anfang des Jahres hatte die Syriza 36,3 Prozent der Stimmen geholt, die ND 27,8 Prozent. Drittstärkste Kraft wird auch diesmal die rechtsradikale Goldene Morgenröte mit knapp 6,3 Prozent der Stimmen.


Die Neuwahl war nötig geworden, weil Tsipras am 20. August seinen Rücktritt als Ministerpräsident erklärt hatte - um die Gegner in seiner eigenen Partei loszuwerden und sich ein stabiles Mandat der Wähler zu sichern. Die den Gläubigern zugesagte Sparpolitik hatte Syriza gespalten. Ihr Ableger, die Volkseinheit (Lae), verfehlt demnach den Einzug ins Parlament ganz knapp. Sie kam auf 2,86 Prozent der Stimmen und lag damit unter der Drei-Prozent-Hürde.


Syriza kommt laut Innenministerium auf 145 Sitze im Parlament, die Anel auf 10. Für eine absolute Mehrheit sind 151 der 300 Sitze notwendig.


Die ND erhielt 75 Mandate, die rechtsradikale Goldene Morgenröte 18. Die panhellenische sozialistische Bewegung (Pasok) und die kleine demokratische Linke (Dimar), die für die Wahl ein Bündnis gebildet hatten, kamen auf 17 Sitze, die Kommunisten auf 15. Die Partei der politischen Mitte To Potami sicherte sich 11 Mandate und die Zentrumsunion 9.


Tsipras hatte im Wahlkampf ein «sanfteres» Sparprogramm versprochen, dessen Details noch ausgehandelt werden müssten. Er stellte zudem Nachbesserungen beim Abbau des Schuldenberges in Aussicht. Eurogruppen-Chef Dijsselbloem hatte bereits deutlich gemacht, dass eine Nachverhandlung nicht zur Debatte steht.


Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), betonte nun ebenfalls: «Was in Brüssel vereinbart worden ist, gilt.» Auch wenn die Regierungsbildung anstehe, dürfe das Tempo bei der Umsetzung des Hilfsprogramms nicht sinken. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt drohte Griechenland mit der Verweigerung von Krediten, sollte die neue Regierung von Reformzusagen abrücken. «Auch die neue Regierung muss sich an die Vereinbarungen halten und die engmaschigen Kontrollen akzeptieren. Andernfalls werden die Kredite nicht ausbezahlt», sagte Hasselfeldt am Abend der Parlamentswahl den Zeitungen der Funke Mediengruppe.


Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, zeigte sich dagegen zuversichtlich, dass das hoch verschuldete Land aus der Krise herauskommt. «Indem Ministerpräsident Tsipras mit starkem Mandat und ohne innerparteiliche Opposition erneut Regierungschef wird, eröffnet sich eine realistische Chance für eine wirksame Umsteuerung Griechenlands auf einen Kurs nachhaltiger Staatsfinanzen und wettbewerbsfähiger Wirtschaft», hieß es am Sonntagabend in einer Stellungnahme Hüthers. «Denn die Verhandlungen sind von seiner Regierung geführt worden und Tsipras wird kaum einen Anlass finden, das infrage zu stellen.»


Im Januar hatte Tsipras seine Amtszeit noch mit dem Versprechen angetreten, das Sparprogramm der Geldgeber aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) rückgängig zu machen. Die Verhandlungen zogen sich sieben Monate lang hin. Vor einem entscheidenden Treffen im Juni kündigte der linke Regierungschef überraschend ein Referendum über die Vorschläge der Geldgeber an. Nach der Volksabstimmung vollzog er eine Kehrtwende und stimmte letztendlich noch härteren Spar- und Reformauflagen zu - als Teil eines dritten Hilfspakets für sein Land. Im Gegenzug dafür erhält Athen Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro.


Geld braucht das hoch verschuldete Land nicht nur für Rentenzahlung und Beamtenbesoldung, sondern auch für alte Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern. Allein heute ist wieder eine Rate aus dem ersten Hilfsprogramm an den IWF fällig. (DPA)