ARD-Porträt zu Beckenbauers 70. Geburtstag

Franz Beckenbauer wird 70. Foto: Sven Hoppe
Franz Beckenbauer wird 70. Foto: Sven Hoppe

Schon der Sendeplatz ist kaiserlich. An diesem Sonntag um 21.45 Uhr direkt nach dem «Tatort» strahlt die ARD ihr Porträt zum 70. Geburtstag Franz Beckenbauers aus. Auch die Macher der 90-minütigen Ufa-Fiction-Produktion, die im Auftrag des Bayerischen Rundfunks (BR) unterwegs waren, sind illustre Namen: der Produzent Nico Hofmann und der Dokumentarfilmer Thomas Schadt. Beide brachten bereits gemeinsam «Der Mann aus der Pfalz» (2009) über Helmut Kohl und «Der Rücktritt» (2014) über Christian Wulff ins Fernsehen.

Ihr neues Werk, «Fußball - ein Leben, Franz Beckenbauer» wird fünf Tage vor dem Ehrentag des Sportidols am 11. September gezeigt. Ein leitmotivisches Zitat ist Beckenbauers Antwort auf Schadts Frage, ob er sich als Sonntagskind fühle: «Natürlich. Alle Sonntage der Welt sind in mir vereint. Klar, wenn man so ein Leben hat, in diesen 70 Jahren.» Einige Zuschauer werden wohl schlucken. Beckenbauer musste zwei Monate nach Drehschluss Ende Juli den Tod seines Sohns Stephan verkraften. Er wurde nur 46 Jahre alt. Die geplante Premierenfeier in München wurde deshalb abgesagt. «Eine solche Veranstaltung erschien nun allen Beteiligten unpassend», teilte der BR mit.


Es habe auch keine Möglichkeit mehr gegeben, «dieses traurige Ereignis nachträglich in angemessener Form und unter persönlicher Einbeziehung von Franz Beckenbauer in das Porträt aufzunehmen», sagte der stellvertretende BR-Fernsehdirektor Andreas Bönte. Denn die persönliche Beteiligung Beckenbauers macht das Projekt aus.


Zwischen Mai 2014 und Mai 2015 stellte er sich für etwa 30 Drehtage zur Verfügung, 50 bis 60 Stunden Material kamen zusammen. Am Ende ließ er sich in seinem Zuhause in Salzburg interviewen und beim Kicken mit seinen Kindern Joel (14) und Francesca (11) im eigenen Garten zeigen. «Das war ein Vorschlag von ihm», sagte Thomas Schadt. «Eine sehr schöne Szene.» Nico Hofmann schwärmte: «Ich denke, dass wir der Person Franz Beckenbauer ungewöhnlich nahe gekommen sind. Dabei ist hier sehr viel gegenseitiges Vertrauen im Spiel und unser Filmporträt wird über lange Zeit Bestand haben.»


Eine Million Euro kostet die Produktion, vor allem wegen der Reisen des Teams und der Mietkosten für Sportstätten. Beckenbauer reist in die Stadien seines Lebens, auf seinen ersten Bolzplatz in München-Giesing, nach Wembley, ins Olympiastadion in München, wo er 1974 als eleganter Libero Weltmeister wurde, nach Rom, wo er 1990 als Weltmeister-Teamchef einsam über den Rasen schritt, und ins Berliner Olympiastadion, wohin er die WM 2006 holte. Auf dem Empire State Building trifft er seinen Freund Pelé, mit dem «The Kaiser» einst bei Cosmos New York spielte. Andy Warhol porträtierte ihn dort 1977.


Der Mensch Beckenbauer wird charakterisiert als charmant, sehr menschenfreundlich, weltoffen, demütig und nur manchmal cholerisch (zum Beispiel in der WM-Kabine 1990). Angedeutet wird auch seine Schürzenjäger-Vergangenheit («Der liebe Gott freut sich über jedes Kind.»). Seine dritte Frau Heidi, früher Sekretärin beim FC Bayern und sonst in den Medien sehr zurückhaltend, kommt zu Wort: «Er ist ja immer sehr freundlich zu jedem. Und so war's natürlich auch bei Bayern. So haben wir uns dann eigentlich auch kennengelernt.»


Auch Uli Hoeneß spricht, eine Seltenheit, seit er Freigänger im Rahmen seiner Haftstrafe ist: «Er hat bestimmt, was der Ball macht und nicht umgekehrt.» Als Antagonisten sehen die Filmemacher Günter Netzer, der seinen einstigen Nationalmannschaftskollegen liebevoll frotzelt: «Er ist immer mit blütenweißem Trikot vom Platz gegangen.»


Einen wirklich kritischen Blick auf die Lichtgestalt gibt es nicht, die Schattenseiten bleiben unbeleuchtet. Kein Thema sind sein Ruf als Steuerflüchtling mit Wohnsitz in Österreich, seine Rolle als «Sport-Botschafter» für Putins Gasriesen Gazprom und die unbedachte Aussage über katarische Arbeitssklaven («Ich hab' nicht einen einzigen Sklaven in Katar g'sehn! Die laufen alle frei 'rum, weder in Ketten gefesselt noch mit irgendeiner Büßerkappe am Kopf.»).


Das frühere Fifa-Exekutivmitglied äußert sich bloß nonchalant zu seinem (später wieder aufgehobenen) Ausschluss von der WM 2014. Die Fragen der Ethikkommission zur WM-Vergabe nach Russland und Katar habe er zunächst nicht beantwortet, weil er den Bogen auf Englisch nicht komplett verstanden habe. Ansonsten kratzen nur Zwischentöne am lebenden Denkmal. Sein Manager Marcus Höfl sagt, dass der Franz gern intuitiv drauflos plaudere (was man auf das Katar-Zitat beziehen kann). Und Höfl doziert über Beckenbauer als globale Marke. Das Fußballfeld im eigenen Garten ist natürlich gesponsert von Adidas. Der Film kommt Beckenbauer nahe, will ihm aber nicht zu nahe treten - was ein Geburtstagsporträt aber auch nicht zwangsläufig muss. (DPA)