Coe neuer IAAF-Präsident - Digel empört über Ausbootung

Sebastian Coe ist neuer IAAF-Präsident. Foto: Wu Hong
Sebastian Coe ist neuer IAAF-Präsident. Foto: Wu Hong

Lord Sebastian Coe will der große Reformer der Weltleichtathletik werden. «Ich habe die Verantwortung, die Leichtathletik stärker zu machen», sagte der 58-jährige frühere Weltrekordläufer nach seinem deutlichen Sieg im Wahlduell mit Sergej Bubka um das Präsidentenamt der IAAF. Beim Kongress des Leichtathletik-Weltverbandes in Peking stimmten 115 Delegierte für Coe, nur 92 votierten für den Ukrainer Bubka. 

Abgeschmettert wurde die Kandidatur von DLV-Präsident Clemens Prokop um einen Sitz im IAAF-Council. Empört war Vorgänger Helmut Digel über diese Ausbootung und witterte sogar böse Machenschaften.


«Mit Seb Coe wird ein Aufbruch in der Leichtathletik starten», sagte der deutsche Verbandspräsident Prokop. Die Freude über die Wahl des vom DLV favorisierten Briten wurde durch die Abwahl des DLV aus der IAAF-Regierung getrübt - erstmals nach 20 Jahren gehört damit kein Deutscher mehr dem Spitzengremium an.


Dies sei für die IAAF ein «Riesenverlust», schimpfte Digel. Wenn große Leichtathletik-Nationen wie Deutschland nicht repräsentiert sind, «dann ist das natürlich ein Problem für die Weiterentwicklung der Sportart. Deutschland muss in diesem Council vertreten sein».


Der Tübinger schließt nicht aus, dass eine Ursache dafür auch Mauscheleien hinter den Kulissen waren. So werde kolportiert, dass der Kandidat aus Saudi-Arabien Delegierte «mit einer schönen Geschenkmappe bedient hat und sie sich deshalb ihm gegenüber offensichtlich auch erkenntlich erwiesen haben», sagte Digel.


Prokop sprach von «Geschenken in goldfarbenen Tüten». Auch die Doping-Vorwürfe gegen die IAAF in einer ARD-Doku dürften nicht gut angekommen sein. «Die Deutschen werden als Oberlehrer empfunden, die den Maßstab in Ethik setzen wollen», meinte der DLV-Chef.


Auf Nummer sicher war Sergej Bubka gegangen, der sich vorsorglich auch um einen Vizepräsidentenposten beworben hatte und mit 187 Stimmen bei dieser Wahl am besten abschnitt. «Seb, ich wünsche dir, dass du unseren Sport gut in die Zukunft führst», sagte der sechsmalige Stabhochsprung-Weltmeister. «Die Leichtathletik wird wachsen und immer stärker werden.»


Der eloquente und smarte Coe wird von vielen als Hoffnungsträger, wenn nicht gar als Heilsbringer, gesehen. Er löste den Senegalesen Lamine Diack (82) ab, dessen 16-jährige Ära durch Stagnation und Reformstau geprägt war. Das Präsidentenamt öffnet dem gebürtigen Londoner die Tür zum Internationalen Olympischen Komitee und zu einem noch höheren Amt.


Um sein erstes Traumziel zu erreichen und Herausforderer Bubka abzuhängen, musste der ehemalige Weltklasse-Mittelstreckler weite Wege gehen: 700 000 Kilometer düste Coe im Wahlkampf durch die Welt, um schließlich in Peking bei den Delegierten aus den 214 IAAF-Ländern erfolgreich zu landen. «Es war eine lange Reise von meiner Anmeldung als Elfjähriger in einem Leichtathletik-Club bis hierher», meinte Coe. «In meinem Leben gab es keine Aufgabe, auf die ich besser vorbereitet war. Ich werde Ihr Vertrauen nicht enttäuschen.»


Während der Kampagnen von Coe und Bubka ging es nicht nur um Reformen und neue Ideen - es wurde auch beinhart mit allen Tricks gekämpft. Beleg dafür war ein ganz raffiniertes Pokerspiel. Zunächst versprach Coe allen Mitgliedsverbänden eine «olympische Dividende» von 100 000 Dollar alle vier Jahre. In der Nacht vor der Wahl bot Bubka per E-Mail 120 000. In seiner finalen Wahlrede erhöhte Coe sein Angebot auf 200 000 Dollar. Summa summarum sind es 42,8 Millionen Dollar, die er nun insgesamt überweisen muss.


Der sechste Präsident in der 103-jährigen IAAF-Geschichte will aber vor allem die olympische Kernsportart mit zahlreichen Reformprojekten wieder attraktiver und moderner machen. Priorität hat dabei der Kampf gegen Doping - Coe steht für «null Toleranz».


Veröffentlichungen über mögliche Manipulationen hatten das Image der Leichtathletik erneut beschädigt. So wurde in einer ARD-Doku der Vorwurf erhoben, die IAAF habe angeblich Blutdopingfälle verschwiegen. «Ich habe nicht um Macht gebeten, sondern ich will sie teilen», erklärte Coe. «Wir stehen zusammen auf dieser Reise, um eine großartige Zukunft auf unsere große Tradition aufzubauen.» (DPA)