Deutschlands Literatur des 20. Jahrhunderts in 33 Minuten

Das Manuskript zu Thomas Bernhards "Der Untergeher" von 1983 - zu sehen im Literaturmuseum der Moderne in Marbach am Neckar. Foto: Wolfram Kastl
Das Manuskript zu Thomas Bernhards "Der Untergeher" von 1983 - zu sehen im Literaturmuseum der Moderne in Marbach am Neckar. Foto: Wolfram Kastl

Weniger soll mehr sein: Nach neun Jahren hat das Literaturmuseum der Moderne (LiMo) in Marbach seine Dauerausstellung neu gestaltet - und deutlich aufgeräumt. Nicht mehr 1400 Exponate, sondern nur noch 280 geben Einblick in die Bestände des Deutschen Literaturarchivs und in die Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Das einzelne Exponat sollte mehr Platz bekommen, begründete Kuratorin Heike Gfrereis den Schnitt. «Die Ausstellung ist jetzt fassbarer, vielleicht auch menschlicher und großzügiger, weniger streng und pathetisch als die alte.»


«Die Seele» ist der neue Titel. Die Ausstellung habe es auf nichts weniger abgesehen als auf die Seele der deutschen Literatur, sagte Ulrich Raulff, Direktor des Literaturarchivs. Für die Neuordnung sieht er zwei Gründe: Zum einen seien seit der Eröffnung 2006 bedeutende Bestände dazukommen, etwa die Verlagsarchive Suhrkamp und Insel, aber auch die Einzelarchive von Hans Magnus Enzensberger, Siegfried Lenz, Botho Strauß und Martin Walser. Zum anderen habe man die «behäbigen» Führungsgeräte durch leichte Touchpads ersetzen können.


Über eine App und QR-Codes erhalten die Besucher vom 7. Juni an jede Menge Zusatzinfos, Filme und Erklärstücke. Kaum sieben Sekunden, errechnete der Kunsthistoriker Max Imdahl einmal, schaue man sich in Gemäldegalerien im Schnitt ein Bild an. Ein Besucher, der sich an diese sieben Sekunden hält, ist im Literaturarchiv nach 33 Minuten einmal ganz durch. Wenn er sich nicht in der Archiv-App verliert, stöbert und entdeckt - wie es gewünscht ist.


Erich Kästners Aktentasche ist weg, eingemottet im Archiv. Dafür seien die Hälfte der Exponate neu, wie es hieß. Das teuerste sei Kafkas «Prozess», das größte Stefan Zweigs Textgebirge zur «Ungeduld des Herzens», das neueste Enzensbergers «Untergang der Titanic» und das billigste ein Hölderlin-Manuskript, das 2004 mit der Post nach Marbach kam. Uwe Johnsons Wanderpfeife liegt in einer Vitrine, Heinrich Manns Stichwortsammlung zu «Der Untertan» und Hermann Hesses Totenmaske in anderen. Einige Autoren ziehen sich leitmotivisch durch: Kafka etwa, aber auch Rilke, Hesse und Enzensberger.


Das Literaturarchiv besteht seit 60 Jahren. Es umfasst rund 1400 Schriftsteller- und Gelehrtennachlässe mit gut 50 Millionen Blättern, Büchern und Gegenständen. Jährlich kommen 60 000 Besucher ins LiMo. (DPA)